Teil
1: Kleine Stiche mit großer Wirkung: Akupunktur
Teil
2: Bewertung nach Punkten: Akupunktur Teil
3: Triggerpunkttherapie: Wenn Muskeln
unter Stress stehen Teil
4: Wärmetherapie |
Eine spezielle Form der Muskelbehandlung ist die Triggerpunkttherapie, auch
Stresspunktmassage genannt. Viele Pferde leiden unter verspannter Muskulatur,
die die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Mit Hilfe der Triggerpunkttherapie
lassen sich die Verspannungsareale aufspüren und lockern.
Es sind
nicht allein die anstrengenden Trainingseinheiten, die in der Muskulatur eines
Pferdes einen Hypertonus auslösen können. Es gibt bedeutend mehr Faktoren, die
zu einer festen und verspannten Muskulatur führen. So kann auch ein Bewegungsmangel
der Auslöser für Muskelschmerzen sein, aber auch mechanische Einwirkungen, Witterungseinfl
üsse (insbesondere Kälte und Nässe) sowie psychosozialer Stress.
Ursachen
von Muskelverspannungen
Aus meiner Praxis gleich ein signifi kantes Beispiel:
Ich betreue ein S-Dressurpferd regelmäßig physiotherapeutisch. Bei diesem Pferd
stellten sich immer wieder Muskelverspannungen ein, und dies obwohl die Muskeltherapie
gut ansprach, die Reiterin ein optimales Training praktizierte und die Haltungsbedingungen
vermeintlich perfekt waren. Das Pferd fühlte sich sowohl in seiner (Außen-)Box
als auch in der Herde im Auslauf und auf der Weide wohl.
Die Fütterung
war gut abgestimmt und sonst waren keine Probleme festzustellen. Dennoch fanden
sich immer wieder dieselben Triggerpunkte. Die Muskulatur war dauerhaft nicht
wirklich fi t, obwohl das Pferd gute Arbeit leistete und eine hohe Leistungsbereitschaft
zeigte. Aufgrund persönlicher Lebensumstände stellte die Besitzerin ihr Pferd
in einen anderen Stall, indem die Voraussetzungen für eine artgerechte Pferdehaltung
nicht so optimal erschienen, weil wesentlich weniger Platz vorhanden war, ein
kleinerer Auslauf und nur ein Artgenosse, mit dem sich die Stute aber gut verstand.
Doch auch im vorigen Stall standen diese beiden Pferde zusammen. Der Muskelzustand
des Pferdes veränderte sich schlagartig, die Massagebehandlungen waren nachhaltig
und Rezidiven traten nicht mehr auf.
Ein typisches Beispiel von psychischem
Stress, dem das Pferd im alten Stall ausgesetzt war, dessen genaue Ursache aber
nie gefunden wurde. Diese Formen von Stressauslösern, die sich letztendlich auf
die Muskulatur niederschlagen, gibt es öfters als man vermuten mag. Darum ist
die Überprüfung der Haltungsbedingungen inklusive Fütterungscheck ein wichtiger
Bestandteil für die Gesunderhaltung des Pferdes.
Muskelverspannungen sind
dabei nicht nur als primäres Problem zu sehen, denn sie lösen eine pathophysiologische
Kettenreaktion aus. So kommt es aufgrund des Hypertonus der Muskulatur zu Durchblutungsstörungen
in den Kapillargefäßen, die wiederum eine Hypoxie zur Folge haben. Aufgrund der
mangelnden Sauerstoffversorgung der einzelnen Zellen 22 in der Muskulatur und
des Bindegewebes kommt es schließlich zu einem Energiedefi zit auf zellulärer
Ebene. Darauf folgt eine vermehrte Laktatbildung (Laktat = das Salz der Milchsäure),
die eine Übersäuerung des Muskels produziert.
Pathophysiologische Kettenreaktionen
Ein übersäuerter Muskel ist in seiner Funktion eingeschränkt. Damit sind die Gelenke
nicht mehr endgradig beweglich. Als Folge davon kommt es zu Bewegungseinschränkungen
und später auch zu Lahmheiten. Die Ermüdung der Muskulatur ist eine der häufi
gsten Ursachen von Lahmheiten! Denn funktionseingeschränkte Muskeln sind auch
nicht mehr in der Lage, die notwendige Haltearbeit für das Skelettsystem zu leisten.
Muskeln sind – je nach Lage und Funktion – nämlich sowohl für die Bewegung als
auch für Haltearbeiten zuständig. Sind diese Funktionen jedoch eingeschränkt,
kommt es zur Überlastung von Knochen, Sehnen und Bändern. Sehr häufi g resultieren
deshalb Sehnenverletzungen aus einer ermüdeten beziehungsweise verspannten Muskulatur.
Einer lockeren, entspannten Muskulatur muss deshalb besondere Aufmerksamkeit geschenkt
werden. Über die Triggerpunkttherapie kann eine gute Entspannung der Muskulatur
erreicht werden. Triggerpunkte sind hyperirritierbare Regionen innerhalb eines
Muskels oder der umgebenden Faszien. Die Muskulatur in der Umgebung ist meist
hart und verspannt. Manchmal fühlt man harte Muskelstränge, die an Stahlseile
erinnern. Diese verspannten Muskelregionen können gegen Nerven und Arterien drücken,
was zur Blut- und damit Sauerstoffunterversorgung führt. Weil außerdem Druck auf
die Nerven ausgeübt wird, sind diese Punkte enorm schmerzempfi ndlich. Charakteristisch
für einen Trigger- oder Abzugspunkt ist die Zuckung der Haut, die aber nicht immer
in der Region des Triggerpunkts reagiert, sondern auch an peripheren Stellen,
wenn man Druck auf einen Stresspunkt ausübt.
Reaktive Triggerpunkte können
längerfristig zu chronischen Schmerzen führen. Auch das Abstellen der Ursache
für die Entstehung von Muskelverspannungen ist kein Garant dafür, dass sich bereits
verspannte Areale selbstständig wieder lösen. Deshalb ist eine muskeltherapeutische
Behandlung sinnvoll, die außerdem je früher desto besser durchgeführt werden sollte,
um Chronifi zierungen vorzubeugen.
Triggerpunkte aufspüren
Gesundes Muskelgewebe reagiert nicht auf einen mechanischen festen Druck. So kann
jeder selbst verspannte Areale seines Pferdes ausfi ndig machen. Triggerpunkte
können prinzipiell in jeder Region auftreten, doch hat sich erwiesen, dass bestimmte
Areale öfters betroffen sind. Der amerikanische Physiotherapeut Jack Meagher hat
ein System entwickelt, nach dem er die häufi gsten Stresspunkte katalogisiert
hat. Welche Triggerpunkte reaktiv sind, hängt insbesondere auch von der Verwendung
des Pferdes ab. Westernpferde zeigen häufi g Triggerpunkte in den so genannten
Hamstrings, insbesondere sind der musculus semimembranosus und musculus semitendinosus
betroffen. Auch der Bizeps sowie der musculus gastrocneminus sind gerne mit von
der Partie, wenn es um Verspannungen geht. Doch auch die Schulter- und Brustmuskulatur
ist häufi g in Mitleidenschaft gezogen.
Bei Pferden, die schlecht passende
Sättel tragen müssen – erfahrungsgemäß sind hier die meisten Freizeit-Geländepferde
betroffen – kommt es sehr häufi g im Bereich seitlich des Widerrists, dem musculus
trapezius, zu reaktiven Triggerpunkten. Abzugspunktregionen sind nicht nur auf
mechanischen Druck schmerzempfi ndlich, sondern weisen auch eine höhere Temperatur
von fünf bis zehn Grad gegenüber der restlichen Körpertemperatur auf. Dies kann
man mit der Infrarot-Thermografi e messen.
Die genaue Kenntnis der Lage
von Abzugspunkten ist ein großer Vorteil für die Früherkennung von Schmerzarealen
und Verspannungsbereiche. Eine sofortige Behandlung von bereits kleinen Mikro-Traumen,
die noch keine anderweitigen Auswirkungen gezeigt haben, kann größere Traumen
wie Lahmheiten und Bewegungseinschränkungen verhindern. Hierzu dienen dem Therapeuten
ausschließlich seine (geschulten!) Hände. Massagegeräte können die gezielte Therapie
lediglich unterstützen, aber nicht das Übel an der Wurzel packen. Ich selbst setze
Massagegeräte nur ergänzend und dann nach der manuellen Behandlung ein, um das
Gewebe weiter sanft zu entspannen und dem Pferd ein angenehmes Gefühl zu geben.
Massagegeräte helfen, die Therapie sanft ausklingen zu lassen und das Pferd aus
der Behandlung mit einem guten Gefühl zu entlassen.
Ablauf und Wirkung
der Therapie
Meist fi ndet man Verspannungspunkte an den Übergängen
der Sehnen zur Muskulatur. Um sie aufzuspüren, ist natürlich die Kenntnis der
Muskelverläufe, deren Ursprung und Ansatz sowie der Funktion der Muskeln wichtig.
Die Tiefenmassage besteht nun darin, auf den Triggerpunkt direkten Druck zu geben.
Das ist für das Pferd zunächst relativ schmerzhaft, darum ist es für den Therapeuten
wichtig, sich langsam in die Therapie einzuschleichen und mit Gefühl vorzugehen.
Es gibt durchaus nicht wenige Pferde, die sich mit Bissen oder Tritten gegen den
Schmerz zu wehren versuchen, wenn ein Punkt besonders empfi ndlich ist. Der Fingerdruck
auf den Stresspunkt ist darum auf die Schmerzverträglichkeit des Pferdes abzustimmen.
Der direkte Druck bewirkt eine Ischämie des Gewebes und beim Lösen des Drucks
nachfolgend eine vermehrte Durchblutung der Region. Ein weiterer Effekt ist die
Freisetzung von körpereigenen Endorphinen (Schmerzhemmer).
Zur weiteren
Entspannung der Muskulatur bedient sich der Therapeut meist der Querfriktionstechnik.
Zum Schluss ist es wichtig, den jeweiligen Muskel aufzudehnen, um den Triggerpunkt
zu entspannen. Erst nach Dehnung des Muskels, die wiederum das Wissen um den Verlauf
und die Funktion des Muskels sowie der Dehnungstechnik voraussetzt, stellt sich
die eigentliche Entspannung ein, die den Therapieerfolg ausmacht.
Ein
Pferd, dessen Muskulatur gepfl egt wird, fühlt sich nicht nur wohler in seiner
Haut, sondern ist auch zu höheren Leistungen fähig. Nur ein entspannter Muskel
kann sich auch anspannen und an Muskelmasse zulegen. Ein verspannter Muskel hingegen
ist blockiert und kann seine Aufgabe nur noch unzureichend oder gar nicht mehr
verrichten. Die verbesserte Leistungsfähigkeit eines optimal betreuten Muskeln
ist vor allem für das Sportpferd interessant. In der Sporttherapie hat deshalb
die Triggerpunkttherapie seinen festen Platz. Sporttherapeutische Muskelbehandlungen
können eine Leistungssteigerung von bis zu zehn Prozent erreichen, die durchaus
über Sieg und Niederlage entscheiden können. Somit dient die Triggerpunkttherapie
nicht nur der Gesunderhaltung des Pferdes, sondern auch der Leistungssteigerung.
Der Fall eines Trailpferd, das nicht in der Lage war, einen Walk over
ohne Stangenberührung zu absolvieren, beweist dies. Zunächst dachte man an Lustlosigkeit
des Pferdes, weil es die Beine nicht heben wollte. Keine noch so ausgefeilte Trainingstechnik
nützte, um das Problem zu beheben. Schließlich war die Besitzerin kurz davor zu
resignieren: „Das ist einfach kein Trailpferd“. Trotzdem wurde das Pferd „als
letzter Versuch“ in Behandlung gegeben. Es stellten sich Triggerpunkte im Bereich
der Serratus-, Pectoralis- und Trizepsmuskulatur heraus. Nach einer einzigen Behandlung
verminderten sich die Fehler an den Stangen deutlich. Jetzt traten Stangenfehler
nur noch in Ausnahmefällen auf und Reiter wie Pferd fanden großen Spaß am Trailreiten
und sind mittlerweile ein erfolgreiches Paar im Trailparcours. Interessanterweise
war in diesem Fall nur eine einzige Behandlung notwendig, der Therapieerfolg blieb
nachhaltig.
In den meisten Fällen sind jedoch mehrere Behandlungen notwendig.
Insbesondere dann, wenn die Ursachen nicht behoben werden können, weil sie nicht
gefunden werden oder ein Abstellen nicht möglich ist.
Mehr dazu
Triggerpunkttherapie
bei wikipedi
Quelle: Renate
Ettl für westernreiter (EWU)
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