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Das
es bei Ursula Geirer soweit kam, hat einen Grund: Ängste
haben ihr eigenes Gedächtnis. Dieses lässt sich nur
selten durch kluge Worte löschen. Neue emotionale Erfahrungen,
die eine „Neuverdrahtung“ der Gehirnzellen bewirken,
sind dann nötig, um Vertrauen und Mut des Reiters langsam
wieder aufzubauen. Ist man sich der Sache bewusst, dass die eigenen
Reit- und Umgangsprobleme mit dem Vierbeiner durch Furcht entstanden
sind, dann ist das der erste Weg zur Besserung. Nur wer von seinen
Ängsten weiß, kann sie beseitigen – durch regelmäßige
Konfrontation mit der Angst und durch kompetente Hilfe. Folgendes
Beispiel zeigt, wie man bestimmte Situationen über den Alltag
konditionieren kann: Das Flugzeug ist eines der sichersten Transportmittel
überhaupt. Doch obwohl die Wahrscheinlichkeit, im Strassenverkehr
zu sterben, sehr viel höher ist, setzt sich manch einer täglich
ins Auto, jedoch aus Angst nie in ein Flugzeug.
Dies macht deutlich, dass Gewöhnung, im Fall Ursula Geier
regelmäßiges Reiten und Umgehen mit dem Pferd, Ängste
mindert. Wer allerdings nur zwei mal die Woche sein Pferd umtüttelt,
es nur ein mal pro Monat reitet und dieses ansonsten auch nicht
viel Auslauf hat, für den wird Reiten zwangsläufig immer
wieder zum aufregenden oder auch beängstigendem Erlebnis.
Unter die vier Millionen Deutschen*, die auf Grund von Ängsten
schlecht schlafen, fällt Ursula Geirer heute nicht mehr.
„Ich hatte das große Glück, auf einen Ausbilder
zu stoßen, der sofort erkannte, dass das Dominanz-Verhältnis
zwischen mir und meinem Pferd nicht stimmte“, so die Norddeutsche.
Kompetente Reitlehrer, die das richtige Händchen und ein
offenes Ohr für unsichere Schüler haben, können
Reiter positiv unterstützen. Ursachen sind oft die begrenzten
Fähigkeiten der Reiter und deren daraus resultierende falsche
und übertriebene Reaktionen. „Regelmäßiger
Unterricht, erst in der Halle und später auf dem großen
Reitplatz sowie Hilfestellungen beim Führen und Longieren,
bauten mein Vertrauen zum Pferde und zu mir peu á peu wieder
auf“, freut sich die Hamburgerin, die heute glücklich
mit Chester durch Wald und Flur reitet.
Atmen
Sie sich frei
„Das Gehirn funktioniert von Geburt an. Vom Aufstehen bis
zu dem Moment, wo man eine Rede hält“ Atemtherapeut
Adalbert Halt zitiert Mark Twain, der den Nagel auf den Kopf trifft.
Ruft der Lehrer seinem Schüler, der auf dem Pferderücken
in einer Notsituation steckt, zu: „Atme, atme ruhig durch!“,
dann wird dieser kaum in der Lage sein, den gut gemeinten Rat
zu befolgen. Sein Angstzustand blockiert das Gehirn. In solchen
Momenten wird sich der Schüler auch nicht an eine Atemübung
erinnern können. Aus diesem Grund strebt der Berliner Atemtherapeut
einen natürlichen Atemfluss an, den Reiter durch angelernte
körperliche Übungen automatisieren können. Vorgänge
wie tiefes und richtiges Ein- und Ausatmen zu Pferd können
¬– wenn bewusst und regelmäßig geübt
– auch in Notsituationen hervorgerufen werden. „Ich
lehre keine Atemtechniken. Nur durch bewusstes Handeln kann der
Reiter ruhige Atmung erlangen, die ihn in stressigen Situationen
beruhigen kann“, erläutert der 60-Jährige. Pferde
sind sensibel und reagieren sehr stark auf die Atmung des Menschen,
die nicht nur die Psyche, sondern auch den Gesundheitszustand
der Person beeinflusst. „Im Ruhezustand ist das Zwerchfell
nach oben gewölbt. Beim Atmen entsteht eine mechanische Wechselwirkung,
die Durchblutung, Sauerstoffversorgung und Verdauung fördert.
Auch Wirbel, Rumpf, Muskulatur und Becken, also die gesamte Körperhaltung,
werden von der Atmung verändert.“ Ein aufrecht gehender,
selbstsicherer Mann atmet wahrscheinlich gleichmäßiger
und tiefer als ein unsicherer mit gebückter Körperhaltung.
Durch Stress im Alltag ist die natürliche Atembewegung bei
vielen Menschen gestört. Täglich praktizierte Übungen
können Ihre Atmung in einen natürlichen Rhythmus bringen.
Einmal automatisiert sind sie auch in beängstigenden Situationen
abrufbar:
• Oberstes Gebot ist Dehnung: Nehmen Sie im Stehen den rechten
Arm ganz nach oben und zeigen sie mit diesem über Ihren Kopf
nach links. Es ist eine physiologische Gesetzmäßigkeit,
dass Dehnen eine tiefe Atmung bringt. Auch im Yoga wird dieses
Wissen genutzt.
• Setzen Sie sich auf ein Pferd und beugen Sie langsam Ihren
Kopf nach vorne, lassen Sie ihn auf ihre Brust sinken. Ihre Fersen
dehnen Sie nach unten. Führen Sie beide Übungen in einem
Wechselspiel von An- und Entspannung durch.
• Stellen Sie sich neben das Pferd: Streicheln Sie es und
nehmen sie seine Formen wahr. Achten Sie auch ruhig mal auf die
Atmung ihres Pferdes, wie sich sein hinterer Bauchteil auf- und
abbewegt. Für ängstliche Reiter ist die Kontaktaufnahme
mit dem Tier sehr wichtig. Berühren und beobachten Sie ihr
Tier häufig, schulen Sie dadurch Ihre Hände. Gewohnheit
nimmt Angst.
• Weniger Furcht durch Pfeifen und Singen: Nicht das Pfeifen
an sich nimmt der Person das ungute Gefühl, sondern die Tatsache,
dass sie dadurch weiter atmet und seine Ausatmung sogar verlängert.
Ein sensibles Pferd reagiert auf stockenden oder anhaltenden Atem
des Reiters. Ein Pfeifen, Sprechen oder Singen, welches das Zwerchfell
zudem in Bewegung hält, verhindert das.
• Schütteln Sie Arme und Beine im Stand aus. Legen
Sie eine Hand auf Ihren Bauch und spüren Sie, wie sich Ihre
Bauchdecke hebt und senkt. Machen Sie sich bewusst, wie Ihr Körper
funktioniert und reagiert.
• Summen Sie etwa fünf Minuten lang, es lockert das
Zwerchfell.
• Stellen Sie sich hin, bleiben Sie im Becken locker und
wippen Sie auf den Zehenspitzen. Versuchen Sie nicht verkrampft,
die richtige Atmung zu finden, denn diese wird sich durch die
Bewegung ganz von alleine einstellen.
• Setzen Sie sich entspannt hin und streichen Sie sich mit
ihren Handflächen über Arme, unteren Rücken, Bauch,
Brust. Beugen Sie sich vor, um auch Waden und Beine auszustreichen.
• Der Tennisspieler stößt einen Schrei aus, während
er mit seinem Schläger den Ball berührt. Auch bei Bauarbeitern
kann man diese verbale Kraftunterstützung beobachten. Die
meisten Reiter halten jedoch schon beim Aufsteigen den Atem an.
Ein lautes Ausatmen kann Ihnen beim Anschieben der Mistkarre,
Satteln, Aufsteigen oder beim Parcoursaufbau den extra Schwung
geben. Sie können sich ein Wort, zum Beispiel „Schuhh“,
zur Hilfe nehmen. Ist es Ihnen aber peinlich, laut auszurufen,
kann auch ein leiser Ton unterstützend wirken. Sie werden
sich nicht mehr mit bloßer Muskelkraft, sondern mit Hilfe
der Atemkraft in den Sattel schwingen.
• Ausatmen nutzen: Konzentrieren Sie sich nicht immer aufs
Einatmen, sondern aufs Ausatmen. Die Wechselwirkung sorgt automatisch
dafür, dass sie einatmen.
In
Notsituationen fallen Ihnen bestimmte Übungen genauso wenig
ein wie Atemtechniken. Achten Sie auf Ihren Körper und üben
Sie schon in leicht angespannten Situationen durch Dehnung der
Füße, des Nackens oder durch bloßes Wahrnehmen
Ihres Körpers oder des Tieres, sich zu entspannen. Regelmäßig
praktiziert und dadurch automatisiert, ist dieser Vorgang in einer
Angstsituation hilfreich. Bereiten Sie sich auch mental auf furchteinflößende
Situationen vor: Ein Reh springt aus dem Busch, ein LKW kommt
den Weg entlang gefahren. Malen Sie sich aus, wie Sie reagieren
werden und die Situation meistern. Gedankenkraft ist enorm und
Pferde reagieren darauf. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Vierbeiner
an dem Busch scheut, dann wird er das wahrscheinlich auch tun.
Stellen Sie sich besser vor, wie sie beide selbstsicher daran
vorbei gehen werden. Während Sie das tun, können Sie
Ihr Pferd, Ihre Umwelt und sich selbst wahrnehmen. Nur indem Sie
sich Angstmomenten – am Besten unter Anleitung – stellen,
können Sie mit Situationen, in denen Ihnen Ihr Herz in die
Hose rutscht, zurecht kommen.
Springreiter
Markus Merschformann:
„In diesem Jahr habe ich mir durch zwei Stürze das
Schlüsselbein und den Fuß gebrochen. Nach dem ersten
Sturz bin ich ganz selbstverständlich wieder in den Sattel
gestiegen und habe mit dem Training da weitergemacht, wo ich aufgehört
hatte. Dies habe ich auch nach dem zweiten Sturz versucht, doch
bleibt es nach mehreren Stürzen nicht aus, dass sich in manchen
Situationen ein ungutes Gefühl einschleicht. Nach einem Unfall
versuche ich deshalb direkt vom ersten Tag an, so locker und unbefangen
wie möglich ins Training zu gehen. Im Springsport beginnen
wir unsere Arbeit mit niedrigen Sprüngen. Dies gibt mir genügend
Zeit, wieder Vertrauen zu fassen und mich auf die großen
Hürden vorzubereiten. Das Wichtigste ist, sich so schnell
wie möglich wieder in den Sattel zu schwingen, zu trainieren
und auf Turnieren zu starten. Pferde merken sofort, wenn man Angst
hat und reagieren entsprechend darauf. Warten Sie deshalb nicht
zu lange und steigen Sie, sobald die Verletzungen geheilt sind,
wieder auf. Nur regelmäßige Praxis auf dem Pferderücken
gibt Sicherheit und bringt Erfahrung.“
Ich
habe am meisten Angst, dass...
• ...ich unheilbar krank werde (55,7 %)
• ...ich im Alter zum Pflegefall werde (43,3 %)
• ...meinem(r) Lebenspartner(in) oder meinen Kindern etwas
zustößt (34,6 %)
• ...ich in wirtschaftliche Not gerate (24,7 %)
• ...ich bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt werde
(24,6 %)
• ...unsere Umwelt lebensbedrohlich zerstört wird (24,6
%)
• ...meine Rente im Alter nicht ausreicht (23,2 %)
• ...ich ein Opfer von Kriminalität/körperlicher
Gewalt werde (21,4 %)
Apotheken Umschau-Umfrage
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