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Das Pferd
Rasse und Typ
Eines sollte uns klar sein. Es gibt Pferde, die Aufgrund ihres total
unterschiedlichen Körperbaus und Ziele der verschiedenen Zuchtverbänden
natürlich auch unterschiedliche Eigenschaften mitbringen. Ein im
Kaltbluttyp stehendes Pferd wird sich sicher anders bewegen, als ein
Vollblüter. Manche Pferde wurden ursprünglich für den Lastenzug gezüchtet
und andere dafür, möglichst ökonomisch lange Stecken im Galopp zurück zu
legen. Westernpferderassen wurden ursprünglich für die Arbeit auf der Ranch
gezüchtet, sind jedoch mittlerweile aufgrund ihrer sportlichen Verwendung
auch in vielen verschiedenen Varianten zu erwerben. Von dem hochbeinigen
eleganten Bewegern, bis zu kleinen wendigen Katzen. Und noch immer gibt es
den kräftigen Stock Type, mit dem man getrost ein Rind mit dem Lasso fangen
und halten könnte.
Als Trainer stehen wir nun oft vor der Aufgabe, mit unterschiedlichen Typen
zu arbeiten. Und gerade darin liegt für mich auch ein gewisser Reiz. Immer
wieder wundere ich mich darüber, wie schon bei Fohlen positive wie negative
Zukunftsperspektiven von Fachleuten geäußert werden. Ich selbst bin in
dieser Hinsicht sehr vorsichtig und wage höchstens bei einem 2-3 jährigen
Jungpferd, das ich schon in Bewegung sehen konnte, vorsichte Prognosen. Aber
wie schon erwähnt, liegt die Wahrheit immer auf dem Platz bzw. unter dem
Sattel.
Zugegeben bevorzuge ich auch kompakte Pferde zwischen 145 – 155cm und kann
natürlich jeden Reining Trainer verstehen, wenn er für seine Disziplin ein
athletisches Pferd sucht, damit schnelle Wendungen, rasante Spins und tiefe
Stopps möglich sind.
Jedoch sehe ich als All Around Trainer meine Aufgabe darin, dem jeweiligen
Pferd das bestmögliche Training zukommen zu lassen unter Berücksichtigung
seiner mentalen und körperlichen Fähigkeiten. Und wenn ich einen robusteren
Typen zum Anreiten habe, bin ich froh darüber verschiedene Systeme zu
kennen, um auch dessen „schwerere“ Schulter etwas mobiler zu bekommen. Mir
muss klar sein, dass grundlegend verschiedene Typen unter Umständen auch
unterschiedlich lang brauchen, um etwas umzusetzen.
Trainer einer bestimmten Disziplin, suchen ein geeignetes Pferd speziell
dafür. Reite ich jedoch verschiedene Typen von Pferden ein, wende ich mein
Training etwas unterschiedlich an und passe es den Möglichkeiten des Pferdes
an. Manche Pferde waren nach 50x Reiten schon so gut wie andere erst nach
150x Reiten. Weil ihnen vieles einfach leichter fiel. Trotzdem kann das
„langsamere“ (lernende) Pferd, das Pferd mit mehr Möglichkeiten sein. Manch
Pferd, dass bei einem „Spezial“ Trainer eine bescheidene Karriere zugesagt
bekam, wurde unter anderen Einflüssen plötzlich zu einem hervorragenden
Westerpferd. Dafür gibt es viele Beispiele.
Interieur
Aber neben seinen körperlichen Möglichkeiten, kommt natürlich noch das
Interieur hinzu. Die innere Ausgeglichenheit und die mentale Zufriedenheit
sind für mich deshalb nicht nur Vorraussetzungen, sondern Eigenschaften, die
wir durch gezieltes Training und entsprechenden Umgang maßgeblich
beeinflussen können. Ein cooles Pferd, das willig mitarbeitet und seine
Ohren auf „Empfang“ gestellt hat, gibt einem ein gutes Gefühl bei der
Ausbildung.
Während wir natürlich den Körperbau durch Kräftigung bestimmter
Muskelgruppen verändern und auf seine Aufgabe (Last zu tragen) vorbereiten,
so ist es jedoch ganz wichtig durch Übungen an dem Interieur zu arbeiten, um
eine innere Losgelassenheit zu erzielen.
Aufzucht und bisheriger Umgang
Doch bevor das eigentliche Training beginnt, kommen weitere Aspekte hinzu.
Für mich ist es wichtig zu wissen, welchen Umgang, bzw. welche Form der
Aufzucht das junge Pferd bisher bekommen hat. Ist es eher „verwildert“ auf
riesigen Weiden aufgewachsen, hat seit Wochen kein Halfter getragen und auch
der Hufschmied musste ein mutiger Mann sein um seine Arbeit verrichten zu
können? Oder wuchs es in einem
Aufzuchtsstall auf, bei dem viel Wert auf Handling und Umgang gelegt wurde?
Wurden die Pferde dort evtl. regelmäßig angebunden, geputzt und für den
Hufschmied vorbereitet? So wie Kinder in ihrem Verhalten nicht selten etwas
über ihr Elternhaus sagen, so zeigen uns junge Pferde mit ihrem Verhalten
oftmals ganz deutlich, welchen Umgang sie in der Vergangenheit hatten. Alles
Faktoren die eine Rolle spielen, wenn wir die Reaktionen des Pferdes in den
ersten Tagen verstehen und beeinflussen wollen.
Körperlicher Zustand und Vorerkrankungen
Erstgeborene oder auch unterversorgte Fohlen haben auch später oftmals
körperliche Mängel und hinken ihren Gleichaltrigen im Wachstum hinterher.
Natürlich kann man bei diesen Jungtieren gerne noch eine Weidesaison
abwarten und sie nochmals einige Monate wachsen lassen. Oftmals sind sie
aber auch als 4 jährige nicht gerade kräftig. Deshalb sollte man beim
Training den körperlichen Zustand bewerten und das Training entsprechend
schonend beginnen. Dies gilt natürlich für alle Jungpferde, aber ganz
besonders für die, die körperlich zurückgeblieben sind. Hier sind vom ersten
Tag an kurze Intervalle von wenigen Minuten wichtig, damit sich der
Tragapparat bilden kann.
Allerdings erlebe ich auch nicht selten total überfütterte Jungtiere!!
Pferde die schon seit Monaten 24h am Tag „einen Reiter“ mit sich tragen.
Überfütterung ist nicht selten und schädigt Bänder, Knochen und Organe.
Leider erleben wir auch hier gelegentlich einen negativen Einfluss aus den
USA. Dort sehen nicht wenige 2 Jährige schon fast fertig aus.
Der Grund liegt an der schnellen Vermarktung. So wie die die Forelle oder
das Schnitzel hierzulande schnellstmöglich wachsen soll, so soll das Produkt
„Pferd“ in der „Horseindustrie“ ebenfalls schnell reifen um vermarktet
werden zu können. Wer nicht auf den schnellen Erfolg sondern an
Nachhaltigkeit und langer Lebensdauer interessiert ist, dem sollten solche
gesundheitlichen Aspekte wichtige sein und der sollte ein Mästen von
Jungpferden vermeiden.
Vorerkrankungen spielen ebenfalls eine Rolle. Wie schnell passiert es, dass
schon während der Aufzucht eine Verletzung auftritt. Sehnen, Bänder oder
Muskelgewebe, das verletzt wurde und dann eine Schwachstelle darstellt. Dies
gilt es natürlich ebenfalls zu berücksichtigen und das Training muss dann
entsprechend angepasst werden.
Die Trainingsmöglichkeiten & Equipment
Neben dem Pferd und dem Ausbilder, spielt natürlich noch das Equipment bzw.
die Trainingsbedingungen eine wichtige Rolle. Da für das erfolgreiche
Training regelmäßige
Wiederholungen notwendig sind, ist der Fortschritt des Trainings natürlich
von den Bedingungen abhängig.
Trainingsmöglichkeiten
Wie schon erwähnt, ist die regelmäßige Arbeit für den Lernerfolg von großer
Bedeutung.
Und solange wir trockene Wetterperioden haben, ist das Training auf einen
Außenreitplatz natürlich ausreichend. Einem leidenschaftlichen Reiter macht
auch ein Schauer nichts aus. Doch lang anhaltende Regenfälle lassen den
Untergrund von manchem Plätzen rutschig werden und auch die Motivation des
Reiters sinkt bei widrigen Verhältnissen. Glücklich kann sich deshalb
derjenige nennen, der auf eine Halle zurückgreifen kann und dadurch völlig
wetterunabhängig arbeiten kann. Dadurch ist regelmäßiges Training möglich.
Ein Roundpen ist natürlich ebenfalls von großem Vorteil. Ob er nun 16, 18
oder über 20m im Durchmesser hat, spielt für mich gar nicht so eine große
Rolle. Für die ersten Lektionen und für das Freilongieren ist es eine tolle
Sache. Ich persönlich mag jedoch nur sehr ungern Panellzäune, da für mich
die Verletzungsgefahr hier zu groß ist. Ein junges Pferd kann beim ersten
Angurten schon mal buckeln und etwas kopflos reagieren. Und da ich vermeiden
möchte, dass ein Pferd mal in Penalls springt, bevorzuge ich glatte Wände
für diese ersten Einheiten. Meine kleinere Halle hat 2,5m hohe Wände und
kein Pferd kann sich hier an der Begrenzung verletzen. Ich kenne etliche
Reiter, die ihr Pferd ausschließlich im Gelände trainiert haben.
Spaziergänge am Anfang, Handpferd reiten und dann den Übergang in den Sattel
ist natürlich eine weitere Möglichkeit ein Pferd zu trainieren. Die Stärke
dieser Pferde war dann meist ihr Nervenkostüm, weil sie eben schon viel
gesehen haben und mit etlichen Reizen konfrontiert wurden. Aber letztendlich
würde ich immer eine Bahnarbeit zum Erreichen der ersten Kontrolle und ein
parallel laufendes Gelände-traning (erst vom Boden und dann vom Sattel)
vorziehen.
Sattel
Zu dem Thema „richtiger Sattel“ könnte man natürlich ein weiteres Buch
füllen und etliche Experten zu Wort kommen lassen. Hierzu möchte ich mich
jedoch kurz fassen ohne dieses Thema dadurch unwichtig erscheinen zu lassen.
Natürlich spielen der Sattel und seine Passform eine wichtige Rolle. Fakt
ist aber auch, dass man als Trainer, der viele verschiedene Pferde reitet,
auch hierbei Kompromisse eingehen muss, da wir ja nicht für jedes Pferd
einen neuen Sattel anpassen können. Deshalb haben wir einige verschiedene
(Passform) Typen von Sätteln und wählen für die Zeit der Ausbildung die
bestmögliche Lösung. Auch wird uns gelegentlich ein angepasster Sattel
mitgegeben und wir reiten dann natürlich damit, sofern er uns in unserer
Bewegung nicht zu sehr einschränkt und wir „nah“ am Pferd sitzen. Denn das
ist mir sehr wichtig und gelegentlich erlebe ich auf Kursen Sättel, die mich
kaum spüren lassen wie der Rücken des Pferdes arbeitet. Dann fühle ich mich
immer sehr unwohl, da ich dann nicht im oder auf, sondern nur noch über dem
Pferd sitze.
Festzuhalten bleibt natürlich noch, dass der Rücken des Pferdes sich
natürlich durch Wachstum und Training verändert und im Laufe der Zeit
verschiedene Sättel verwendet werden sollten. Und selbst ein 6 jähriges
Pferd ist in der Regel noch lange nicht am Wachstumsende angekommen, da
gerade die fortgeschrittenen Seitengänge den Trapezmuskel deutlich wachsen
lassen und das Pferd dadurch erst „Schultern“ bekommt!
Pad
Auch hierbei bin ich ein sehr praktisch orientierter Mensch und denke dabei
an meine Schulzeit zurück. Da ich noch einen Ranzen auf dem Rücken (zwar in
hängender Form) tragen durfte, fand ich ihn im Sommer beim Tragen eines
T-Shirts immer unangenehmer als im Winter mit Pullover und Jacke. Deshalb
glaube ich an ein Pad, dass nicht
einer Tischdecke gleicht, mich aber auch nicht 10cm über das Pferd
setzt - eben ein gutes Polster darstellt.
Eine weitere Tatsache die wir berücksichtigen sollten ist, dass heutzutage
viele Kunststoffe in Pads verarbeitet werden und es bei längeren Reiten
(Wanderritt, mehrere Starts an einem Tag im Sommer) unter Umständen unter
dem Pad zu einem Hitzestau (Wenn dann der Sattel auch nicht passt =
Satteldruckstellen) kommen kann, da der Kunststoff die Wärme und den Schweiß
nicht nach außen ableitet. Früher verwendete man oftmals Wollpads, die waren
nach dem Training durchgeschwitzt und mussten getrocknet werden. Und noch
eines soll zu diesem Thema angemerkt werden. Neue Pads rutschen oft und
deshalb nutze ich zum ersten Satteln immer gebrauchte, nach Pferd riechende
Pads, die sich bei einem Bocksprung nicht gleich verabschieden.
Sidepull
Da ich die ersten Tage die Pferde erst noch an ein Gebiss gewöhnen muss und
ein Sidepull einem Halfter ähnelt, arbeite ich gerne damit. Meine Sidepull
sind mit Tape umwickelt, da ich damit auch Doppellonge fahre und dadurch
unnötige Abschürfungen vermeide.
Gebiss
In der Regel verwende ich handelsübliche D-Ring Snaffel Bits mit
verschiedenen Mundstücken. Die Stärke liegt bei 1,2 cm und die Länge bei
12,8 bzw. 13,5 cm. Und da mein Trainingsstall wie ein „Kindergarten“ zu
sehen ist und immer wieder Jungpferde Kinderkrankheiten von ihrer
Aufzuchtstation mitbringen, waschen wir die Trensen nach jedem Reiten ab,
damit der Speichel und evtl. Bakterien nicht unnötig verbreitet werden.
Gurte
Aus hygienischen Gründen verwende ich in meinem Trainingsstall einfache
abwaschbare Neoprengurte. Jeder Sattel wird zuerst ohne Gurt auf das Pferd
gelegt und von einem separaten Haken hole ich mir den Gurt mit der
entsprechenden Länge für das jeweilige Pferd. Nach der Trainingseinheit wird
der Gurt wieder vom Sattel entfernt und direkt in eine Tonne mit einer
desinfizierenden Lösung gelegt und anschließend mit Wasser gespült. Am Ende
des Trainingtages werden dann alle Gurte wieder auf dem Haken aufgehängt und
sind bis zum nächsten Tag getrocknet. Durch diese Vorgehensweise habe ich
schon über 10 Jahre keine Pilzinfektion mehr in meinem Stall gehabt.
Sollte ich ein Pferd mit extrem rundem Rücken haben und auch der passende
Sattel zum Rutschen neigen, verwende ich Roping Gurte. Die sind in der Mitte
breiter geschnitten, bieten dadurch mehr Anliegefläche und etwas sicheren
Halt.
Halfter & Stricke
Vom ersten Tag an verwende ich gerne Strickhalfter, da ich damit optimal von
Boden aus arbeiten kann und sie sogar beim Reiten unter dem Kopfstück lassen
könnte.
So kann ich jederzeit während des Reitens auch spontan an Lektionen vom
Boden aus arbeiten, wenn ich es für nötig halte.
Wichtig ist auch hierbei, wie bei allen Halftern, dass sie optimal anliegen
und das Pferd nicht Hineintreten kann. Auch im Sommer kommt es damit nicht
zu Scheuerstellen, wenn das Pferd das Halfter mal länger tragen sollte. Ich
lasse mir meine eigenen Halfter von einer Bekannten anfertigen und kaufe mir
hierfür im Segelbedarf extra das entsprechende Seil, da viele
handelsübliche Seilhalfter mir etwas zu fest und steif erscheinen.
Hilfszügel
Auch dies ist ein Kapitel mit X verschiedenen Ansichten und Meinungen. Und
oftmals geben Trainer hierzu Empfehlungen weiter, die dann von den
Reitschülern bedingungslos übernommen werden. Auch mir ging das so! Nehmen
wir mal als Beispiel das Martingal. Weil es vor über 20 Jahren von vielen
amerikanischen Trainern so übermittelt wurde, habe ich es damals auch
benutzt. Habe aber dann bemerkt, dass es korrekt eingeschnallt eine
laterale (seitliche) Zügelführung nur bedingt zulässt. Die ist mir am Anfang
allerdings wichtig und irgendwann „hing es bei mir nur noch rum“ Ich
verwendete es nur noch ganz selten. Ein Freund von Schlaufzügeln war ich
noch nie. Auch ich habe sie Mitte der Neunziger Jahre mal ausprobiert, um
mir eine Meinung bilden zu können, jedoch ganz schnell gespürt, dass die
Wirkung für mich nicht nachhaltig war und ich keine Verbesserung feststellen
konnte. Im Gegenteil, ich fühlte mich von diesen Zügeln „betrogen“ und habe
schon nach kurzer Zeit festgestellt, dass Schlaufzügel für meine Arbeit
nichts Sinnvolles bringen. Und jeder Trainer sollte Vertrauen in sein
Equipment haben und sich gut bei der Anwendung fühlen. Seit Jahren verzichte
ich beim Anreiten auf Martingal oder jegliche Hilfszügel, möchte sie aber
nicht grundlegend verdammen, da sie bei gewissen Dingen eine Verbesserung
erzielen können und ihre Berechtigung in verantwortungsvollen Händen
durchaus haben. Natürlich gehören Hilfszügel in ihrer individuellen
Wirkungsweise separat betrachtet und nicht verallgemeinert. Viele
Physiotherapeuten setzen sie sogar bei Longenarbeit ein.
Ich sehe heute Hilfszügel wie eine Art Krücken. Wenn man „erkrankt“ ist,
etwas nicht richtig funktioniert können sie sinnvoll eingesetzt dazu
beitragen, dass man wieder „richtig“ Laufen lernt. Jedoch sollten Kinder
nicht von Anfang an mit Krücken laufen lernen.
Serie Starting Colts
Teil 1: Systematisches und schonendes Training für junge Pferde
Fortsetzung folgt…
Quelle:
Stefan Ostiadal
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Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht. Zum
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