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Stuten sind nicht selten einer Doppelbelastung ausgesetzt, wenn sie einerseits als Zuchtstute ihren
Dienst tun, und andererseits weiterhin als Reitpferd dienen sollen. Ab wann die Belastung für die
Stuten zu groß wird, wann und ob Zuchtstuten überhaupt unter dem Sattel gearbeitet werden sollen,
steht immer wieder in der Diskussion.
Während in größeren Gestüten die
Zuchtstuten oftmals gar nicht geritten
werden, möchte gerade der
Freizeitreiter, der nur hobbymäßig ein Fohlen
aus seiner Stute zieht, auf das Reiten nicht ganz
verzichten. Eine auf dem Turnier erfolgreiche
Stute soll möglicherweise ihre Leistungsfähigkeit
weitervererben, weiterhin aber auf Turnieren
Höchstleistungen erbringen. In diesem
Zwiespalt befi nden sich viele Pferdebesitzer,
denn gerade das Turnierpferd wird auch als
Zuchtstute oder -hengst nicht mehr den Marktwert
haben, wenn es einmal von der Turnierfl äche
verschwunden ist. Somit sollen erfolgreiche
Pferde zwar einerseits in der Zucht eingesetzt
werden, andererseits aber auf Turnieren weiterhin
präsent bleiben.
Für Hengste ist der Turniereinsatz – wenn sie
trotz des Deckgeschäfts gut zu händeln bleibentos: Roberto Robaldo
– weniger problematisch als für Stuten, die elf
Monate lang trächtig sind und anschließend für
etwa sechs Monate ein Fohlen bei Fuß führen.
Die Zeiten, in denen die Pferde nach einer erfolgreichen
Turnierkarriere in die Zucht gehen,
sind nahezu vorbei. Nicht nur aus wirtschaftlichen
Gründen wird versucht, beides – den Turnier-
und Zuchteinsatz – zu vereinbaren. Doch
die Belastung für die Pferde ist dabei enorm
hoch. Darum stellt sich die Frage, ab wann eine
derartige Doppelbelastung zu groß ist und ob
auf das Reiten während der Trächtigkeit ganz
oder teilweise verzichtet werden soll.
Nicht in Watte packen
Einerseits darf man die Belastung einer Trächtigkeit
für die Stute nicht vergessen, andererseits
darf man eine Trächtigkeit nicht als Krankheit
ansehen. Eine übertriebene Rücksichtnahme, die
zwar stets gut gemeint ist, kann auch negative
Auswirkungen auf die Stute und dessen Fohlen
haben. So ist eine regelmäßige Bewegung für
tragende Stuten sehr sinnvoll. Die Stuten bleiben
bei einer guten Kondition, was ihnen die
Geburt erleichtert. Es ist deshalb nicht sinnvoll,
eine Stute, sobald diese gedeckt ist, in Watte zu
packen und „wegzustellen“.
Im Prinzip sollte der Alltag für eine trächtige
Stute wie gehabt weitergehen, damit fühlt sie
sich am wohlsten. Da Pferde prinzipiell Gewohnheitstiere
sind, lieben sie den stets gleichen
Tagesablauf und fühlen sich dabei sicher
und geborgen. Für Zuchtstuten eines großen
Betriebes bedeutet dies häufi g der Gang auf die
Koppel mit anderen Stuten. Manchmal werden
die Stuten in einem Zuchtbetrieb longiert, als
Handpferd ins Gelände geführt oder sporadisch
geritten. Damit erhalten die Stuten genügend
Bewegung und Kondition. Die ursprünglich als
Reittiere gehaltenen Pferde hingegen erbringen
in der Regel höhere Leistungen unter dem Sattel.
Deren Einsatz ist sehr unterschiedlich. Während
Freizeitpferde oftmals täglich eine Stunde
im Gelände spazieren geritten werden, müssen
talentierte Spring-, Dressur-, Renn- oder Westernpferde
ein mehr oder weniger anstrengendes
Trainingsprogramm absolvieren.
Werden Turnierstuten nun gedeckt, stellt die
Trächtigkeit natürlich eine neue Situation dar,
die der Stute ein gewisses Leistungspotenzial
abverlangt, da ein neues Pferd in ihrem Bauch
heranwächst. Somit gilt es, die sportlichen oder
arbeitstechnischen Belastungen der jeweiligen
Situation anzupassen. Die Natur reagiert aber
auch bei zu großen Belastungen und Stresssituationen,
um das Leben der Mutterstute zu
schützen. So besteht insbesondere in den ersten
zwölf Trächtigkeitswochen die Gefahr, dass
die Stute die Frucht resorbiert. Die Wahrscheinlichkeit
einer Resorbtion ist relativ hoch, wenn
die Stute unter großem Stress steht, krank wird
oder der Fötus schwerwiegende Fehlentwicklungen
aufweist.
Großen Stress vermeiden
Aus diesem Grund sollte der Stresspegel gerade
in den ersten zwölf Wochen niedrig gehalten
werden. Nicht jedes Pferd empfi ndet eine Hängerfahrt
oder einen Turnierstart gleichermaßen
stressig.
Manche Pferde bleiben auch nach der fünften
Prüfung an einem Tag gelassen, andere wiederum
steigen schon völlig erschöpft und verschwitzt
aus dem Pferdeanhänger, wenn sie den
Zielort erreicht haben. Somit kann der Stresspegel
des Pferdes nicht grundsätzlich pauschalisiert
werden, dennoch stellt beispielsweise der
Transport mit einem Pferdehänger immer eine
Stresssituation für das Pferd dar. Schon die dabei
erforderliche Muskeltätigkeit, die zum Ausgleich
der Fahrbewegungen notwendig ist, wird
oftmals unterschätzt.
Doch es muss nicht immer der Turnierstart sein,
der für die Stute einen Stressfaktor darstellt. Besonders
stressanfällig sind stets Situationen, die
vom üblichen Tagesablauf abweichen. So kann
sich ein Stallwechsel oder die Integration eines
neuen Pferdes in die bestehende Herde negativ
auswirken. Natürlich gehen auch Besitzerwechsel
oder eine schnelle Futterumstellung nicht
spurlos an einem Pferd vorüber. All diese Stressfaktoren
stellen gerade in den ersten drei Trächtigkeitsmonaten
Risiken dar, die man vermeiden
sollte, um der Gefahr, dass die Stute die Frucht
resorbiert, vorzubeugen.
Stehen dennoch unweigerliche Veränderungen
wie Stallwechsel an, sollten diese möglichst ab
dem vierten Trächtigkeitsmonat durchgeführt
werden. Der Fötus ist zu dieser Zeit gut „fi xiert“,
aber noch nicht besonders groß, so dass für
die Stute keine großen Belastungen entstehen.
Die Stute kann dann normalerweise im üblichen
Rahmen geritten werden. Selbst Turniereinsatz,
Wanderritte oder andere belastendere Aktivitäten
sind in der Regel problemlos möglich.
Ab dem achten Trächtigkeitsmonat gilt es wieder
wachsam zu werden. Normalerweise galoppieren
die Stuten auch noch mit dickem Bauch
gerne und bewegen sich selbst oft noch bis kurz
vor der Geburt wie gewohnt. Dennoch sollte
man auf anstrengende Ritte verzichten, denn
die Stute hat nun doch schon einiges mehr an
Gewicht zu schleppen. Aktivitäten wie Springen,
Jagden, Rennen oder anstrengende Reinings
können schon zu viel sein. Aus diesem Grund
sollte man nun darauf verzichten. Normale Spazierritte
sind hingegen weiterhin möglich
Wenn der Bauch zu dick wird
In den meisten Fällen schränken die Stutenbesitzer
die reiterlichen Tätigkeiten dann etwas
ein, wenn der Bauch der Stute zu rundlich wird
und sie feststellen müssen, dass der Sattel nicht
mehr passt. Der Sattelgurt wird zu kurz und
bleibt nicht mehr in seiner ursprünglichen Lage,
sondern rutscht hinter den Ellbogen vor, so dass
es oft auch zu Scheuerstellen am Ellbogen kommen
kann. Der Sattel rutscht ebenfalls, da er auf
dem rundlichen Rücken nicht mehr passt. Das
ist häufi g der Grund, die reiterlichen Aktivitäten
einzuschränken. So mancher Pferdebesitzer ist
nun erfi nderisch und weicht auf ein Sattelkissen
aus oder reitet gar ohne Sattel weiter.
Da nicht jede Stute dieselbe Konstitution hat
und nicht jede Trächtigkeit gleich abläuft, kann
es keine pauschalen Empfehlungen geben, ab
wann man das Reiten einstellen sollte. Manche
Stutenbesitzer reiten ihr trächtiges Pferd bis
kurz vor dem Geburtstermin, andere hingegen
verzichten auf reiterliche Aktivitäten ab etwa
drei Monate vor der Geburt.
Wer sein Pferd gut kennt, merkt sehr gut, ab
wann es der Stute zu beschwerlich wird, bestimmte
Dienste zu verrichten. Die Stuten werden
dann etwas langsamer und behäbiger in
ihren Bewegungen. Ein dicker Bauch kann bei
vielen reiterlichen Manövern schon ein Hindernis
darstellen.
Normalerweise galoppieren die Stuten aber bis
zum Geburtstermin problemlos, dennoch ziehen
manche in den letzten Wochen die langsameren
Gangarten vor. Wenn eine Stute signalisiert,
dass für sie die Zeit der Schonung gekommen
ist, sollte man darauf auch entsprechend Rücksicht
nehmen. Ändern sich die Bewegungen,
zeigt sich das Pferd lustlos und behäbig, sind
Turniere und weitere anstrengende Aktivitäten
zu streichen.
Spaziergänge hingegen sind nach wie vor bis
zum letzten Tag immer angesagt und wird eine
gesunde Stute auch gerne annehmen.
Nachdem die Stute abgefohlt hat, sollte der
sportliche Einsatz nicht wieder sofort aufgenommen
werden. Die Stute sollte Zeit bekommen,
sich von der Geburt zu erholen. Die Bindung
zwischen Stute und Fohlen muss gefestigt
werden. Ab sofort steht für die Stute ihr Fohlen
an erster Stelle. Sie wird zunächst kaum Interesse
daran haben, einen Trailparcours zu bewältigen.
Das Fohlen wird nun auch mehrmals in
der Stunde am Euter der Mutter saugen, was
ein regelmäßiges Training nicht zulässt. Für die
Ernährung des Fohlens benötigt die Mutterstute
außerdem relativ viel Energie. Vielmehr sollte
man mit Mutterstute und Fohlen mit kleinen
Ausfl ügen an der Hand in die nähere Umgebung
beginnen. Doch Fohlen werden in den
ersten Wochen ihres Lebens noch schnell müde,
so dass selbst auf längere Ausfl üge zunächst
verzichtet werden muss. Erst allmählich kann
man die Anforderungen steigern und schließlich
auch die Stute wieder unter den Sattel nehmen,
während das Fohlen bei Fuß mitlaufen kann.
Langsam kann man das Fohlen dann auch daran
gewöhnen, für zunächst zehn, dann zwanzig
oder dreißig Minuten alleine zu bleiben, während
die Mutterstute geritten wird. Das erleichtert
später das Absetzen, doch sollte man sich
davor hüten, die Phasen, in denen das Fohlen
alleine bleiben soll, zu früh oder zu lang zu halten.
Dies kann zu irreversiblen Traumen führen.
Dies wäre für ein Fohlen ein schlechter Start ins
Leben.
Man wird sich immer nach der Konstitution der
jeweiligen Stute richten müssen, um entscheiden
zu können, welche körperlichen Anstrengungen
man einer trächtigen Stute zumuten
kann. Hierzu gehört eine Menge Einfühlungsvermögen.
Zudem müssen persönliche Vorstellungen
oftmals zurückgestellt werden, um der
Stute eine angenehme Zeit der Trächtigkeit und
später mit dem Fohlen bei Fuß gewähren zu
können.
Das rät der Fachtierarzt für Pferde Georg Rattenhuber
von der Tierklinik Seefeld:
Bis zum 6. Trächtigkeitsmonat kann die Stute entsprechend ihrem Trainingszustand normal geritten
werden, erst danach beginnt der Fötus stark zu wachsen.
Ab dem 9. Trächtigkeitsmonat sollte die Stute nur noch leicht arbeiten, aber jeden Tag Bewegung
auf der Koppel bekommen.
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