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Den Begriff der Zivilisationskrankheiten kennt man aus der Humanmedizin.
Er umfasst alle Erkrankungen, die in den letzten Jahrzehnten
gehäuft auftreten und ursächlich aufgrund von modernen
Lebensweisen und -bedingungen entstehen. Gerade in letzter Zeit
treten derlei Krankheitsbilder auch bei Pferden gehäuft auf.
Zu den Zivilisationskrankheiten zählen beim
Menschen verschiedene Formen von Allergien,
Bluthochdruck, Herzinfarkt, Rückenprobleme
(insbesondere Bandscheibenvorfälle)
und mittlerweile auch Krebs. Nicht selten werden
solche Krankheitsbilder (Rückenschmerzen,
Bluthochdruck) dann auch nicht ernst genommen
und nach dem Motto „das hat doch jeder“
mit einem Achselzucken abgetan. Die Tendenz
erkennt man auch im Pferdesektor. Spricht ein
Pferdebesitzer an, dass sein Pferd an Hufrehe
erkrankt ist, erntet er bestenfalls ein mitleidiges
Lächeln. Diese und weitere „Wohlstandskrankheiten“
werden oftmals schulterzuckend akzeptiert.
Dabei lässt sich durchaus gegensteuern,
diese Erkrankungen einzudämmen. Da sich aber
Haltungsbedingungen und Fütterungstechniken
in vielen Ställen in einer bestimmten Form eingefahren
haben, sind diese Gewohnheiten nicht
immer einfach zu ändern. Doch hier muss der
Hebel angesetzt werden, wenn man Stoffwechselerkrankungen
in den Griff bekommen will.
Falsches Futter und zu wenig Bewegung
Insbesondere werden zu wenig Bewegung und
falsches Futter als Hauptursache für Stoffwechselerkrankungen
verantwortlich gemacht. Im
Prinzip kein großer Aufwand, Abhilfe zu schaffen
– wenn man doch etwas mehr Zeit fürs Pferd
oder der Stallbesitzer endlich mal ein Einsehen
hätte und nicht so großzügig oder auch falsch
füttern würde! Oft werden deshalb die Folgen
falscher Haltung und Fütterung in Kauf genommen.
Dann ist das Pferd eben ein wenig zu dick!
Damit kann einem wenigstens keiner nachsagen,
dass man sein Pferd zu schlecht füttert. Ein
gut genährtes Pferd scheint heutzutage auch als
eine Art Statussymbol zu gelten. Man soll es sehen,
dass das Pferd nur das Beste bekommt. Der
Specknacken wird schnell zu einer angerittenen
Muskulatur umgedichtet. Etwas Speck auf den
Rippen schadet dem Tier sowieso nicht, weil es
dann für den Winter eine gute Wärmeisolation
hat! Doch gerade solche Gedanken verteidigen
den unaufhörlichen Weg in Richtung Stoffwechselerkrankung
mit teils irreversiblen Folgen.
Durch zu viel kohlenhydratreiches Futter, das
zu einer großen Vermehrung von Bakterien im
Darm führt, die Kohlenhydrate aufspalten, entstehen
sogenannte Streptokokken. Dabei wird
zudem viel Milchsäure freigesetzt, was zum
Absterben von Darmbakterien führt, die Rohfaseranteile
aufspalten. Damit wiederum werden
Giftstoffe freigesetzt, was mit einer Überzuckerung
einhergeht. Das Ende vom Lied sind
Erkrankungen, die sich in Form des Equinen
Metabolischen Syndroms (EMS), Cushing und
in Folge davon häufi g der gefürchteten Hufrehe
äußern.
Equines Metabolisches Syndrom
Das Equine Metabolische Syndrom ist eine
„moderne“ Krankheit, die immer häufi ger vorkommt.
Zwar gab es diese Krankheit auch früher
schon – jedoch sicherlich nicht in der heutigen
gehäuften Form – ,man konnte sie aber auch
schwer diagnostizieren. Oft erkannte man als
Krankheitsbild letztendlich nur die darauf folgende
Hufrehe. Beim Metabolischen Syndrom
handelt es sich um eine Erkrankung des Zuckerund
Energiestoffwechsels, die durch falsche und
zu üppige Fütterung sowie Bewegungsmangel
ausgelöst wird. Als Symptome zeigen sich Verfettung,
insbesondere an bestimmten Stellen
wie am Nacken des Pferdes, an der Schulter und
Fettpolster neben dem Schweifansatz auf der
Kruppe. Das Pferd hat einen erhöhten Blutzuckerspiegel
und bildet eine Insulinresistenz aus.
Die Folge davon: Hufrehe.
Die Verfettung entsteht durch übermäßige Nahrungsaufnahme,
oft gekoppelt mit Bewegungsmangel.
Allerdings spielt auch das Gehirn eine
Rolle, das durch einen Defekt dem Pferd ein
ständiges Hungergefühl vermittelt. Wenn das
Nahrungsangebot da ist, wird deshalb auch
ständig gefressen. Damit wird mehr Energie
zugeführt als der Körper verbrennen kann, die
dann in Form von Fettdepots eingelagert wird.
Zusätzliche Anzeichen vom Metabolischen Syndrom
und Dispositionen sind eine Erkrankung
zwischen dem 8. und 18. Lebensjahr, verringerte
Leistungsbereitschaft, Infektionsneigung,
Fruchtbarkeitsprobleme und unbefriedigende
Bemuskelung.
Equines Cushing-Syndrom
Als sogenannte Alterserkrankung wird das
Cushing angesehen. Es handelt sich um eine
Erkrankung der Hirnanhangsdrüse, welche mit
Hormonstörungen einhergeht. Zunächst vermutete
man als Ursache Tumore, was sich aber
nicht bestätigt hat. Vielmehr handelt es sich um
eine Fehlsteuerung der Produktion der Hormone
ACTH und POMC in der Hirnanhangsdrüse.
Meist beginnt die Krankheit erst ab einem Alter
von 18 Jahren. Möglicherweise ist der Kortisolspiegel
des Pferdes erhöht, er kann aber auch
auf normalem Niveau liegen.
Häufi g sind Cushingpferde sogar abgemagert,
wobei sie dennoch die typischen Fettdepots aufweisen
können, die auch beim Metabolischen
Syndrom vorkommen (Nacken, Schulter, Schweifansatz).
Häufi ge Symptome sind auch langes
Winterfell, das auch im Sommer nicht vollständig
abgeworfen wird. Die Pferde sind oft lethargisch
und nicht leistungsfähig. Sie schwitzen
leicht und haben eine schlechte Bemuskelung.
Das Immunsystem ist geschwächt, sie neigen zu
Infektionen und schlechter Wundheilung. Wie
schon beim Metabolischen Syndrom haben die
Pferde oft auch Fruchtbarkeitsprobleme. Man
beobachtet auch eine übermäßige Aufnahme
von Wasser und ebensolcher Harnproduktion
sowie eine Insulinresistenz.
Auch die Neigung zur Hufrehe ist typisch für
Cushing. Nicht alle Symptome müssen bei einem
Cushing-Pferd auftreten. So können Cushing-
Pferde sowohl abgemagert als auch fettleibig
sein. Es wird vermutet, dass die Entwicklung
zum Cushing-Syndrom, also der Fehlsteuerung
der Hirnanhangsdrüse, sich aus einer jahrelangen,
langsamen Verfettung heraus entwickeln
kann. Die Symptome des Cushing lassen sich
medikamentös gut behandeln, die Krankheit ist
jedoch nicht heilbar.
Die Stoffwechselvorgänge sind im Körper sehr
komplex, so dass sich bei Störungen in diesem
System viele unterschiedliche Symptome zeigen
und Erkrankungen entwickeln können. Durch
äußere und innere Einfl üsse werden nicht selten
körpereigene Entgiftungsvorgänge gestört, was
schließlich zu krankhaften Auswirkungen führen
kann. Zu den krankmachenden Faktoren, die
den Stoffwechsel beeinfl ussen, gehören nicht
nur Fütterungsfehler und Bewegungsmangel,
sondern auch äußere und innere toxische Einfl
üsse und Belastungen wie Elektrosmog, Impfungen
(Schwermetallbelastung), Wurmkuren,
Medikamente, Futtergifte, Pestizide, Fungizide
und anderweitige Stressoren. Diese Belastungen
strapazieren nicht nur die Stoffwechsellage,
sondern auch das Immunsystem. Somit können
Allergien und Unverträglichkeiten entstehen.
Erste Anzeichen von Störungen hingegen kann
der Pferdebesitzer feststellen, wenn frühzeitig
Müdigkeit und Erschöpfungszustände auftreten,
auch bei geringen Anstrengungen. Weitere
Hinweise sind Verdauungsstörungen, die sich in
vermeintlich harmlosen Blähungen, Durchfällen
und Kotwasser äußern.
Ein untrügliches Zeichen für eine Stoffwechselstörung
sind Hautprobleme, die meist mit
einer Leberproblematik in Verbindung stehen.
Die Leber hat dabei Schwierigkeiten, mit dem
Abbau von Giftstoffen fertig zu werden. Damit
müssen andere Entgiftungsorgane diese Aufgabe
mit übernehmen. Die Haut hat ebenfalls eine
entgiftende Funktion. Überlastungen der Entgiftungsorgane
zeigen sich deshalb in schuppiger,
schorfi ger Haut, stumpfem Fell und verzögertem
Fellwechsel.
Equines Fibromyalgie-Syndrom
Neben Allergien und Unverträglichkeitsreaktionen
können auch wechselnde und diffuse
Lahmheiten auftreten. Auch chronische Atemwegserkrankungen
(insbesondere COB) können
die Folge von ursächlichen Stoffwechselproblemen
sein. Weiterhin können sich Hufrehe, chronische
Viruserkrankungen, Sommerekzem, Magen-/
Darmstörungen, Koliken sowie psychische
Probleme wie Depressionen einstellen. Zu den
Krankheitsbildern gehören aber auch Halswirbelsäulensyndrome,
Pilzerkrankungen (Mykosen)
sowie Parasitenbefall.
Neben dem Metabolischen Syndrom (EMS) und
Cushing häuft sich auch das Krankheitsbild des
Equinen Fibromyalgie-Syndroms (EFMS). Hierbei
handelt es sich um eine Erkrankung, die schwer
diagnostiziert werden kann. Die Symptome gehen
von Müdigkeit über Nervenstörungen, unspezifi
sche Lahmheiten, Verhaltensänderungen
bis hin zu endokrinen Störungen. Ein Pferd kann
nur zwei oder auch bis zu 20 Symptomen aufzeigen.
Ähnlich wie beim Menschen zählen Schmerzen,
die „überall“ auftreten, zu den typischen Symptomen
bei Fibromyalgie. Es handelt sich dabei
um Muskelschmerzen, Weichteil-, Sehnen- und
Gelenkschmerzen. Zu verzeichnen ist eine allgemeine
Schmerzüberempfi ndlichkeit. Hinzu
kommen Müdigkeit, Abgeschlagenheit, immer
wieder auffl ackerndes Erkältungsgefühl, Allergien,
Schleimhautirritationen etc.
Pferde mit EFMS reagieren schon auf eine
leichte Palpation mit Abwehrreaktionen. Insbesondere
wehren sich die Pferde auch gegen
das Gurten und das Satteln. Eine besondere Berührungsempfi
ndlichkeit weisen diese Pferde an
der Interkostal- und Abdominalmuskulatur auf.
Die Schmerzen machen die Tiere zum einen Teil
aggressiv, andere wiederum schalten ab und
„verkriechen sich in ihrem Schmerz“.
Auch beim Equinen Fibromyalgie-Syndrom geht
man in erster Linie davon aus, dass die Ursachen
unter anderem in einer Fehlernährung
liegt. Ein Zuviel an Kohlenhydraten begünstigen
die Erkrankung.
Vorbeugung von
Stoffwechselerkrankungen
Um Stoffwechselerkrankungen vorzubeugen,
sollte man auf eine natürliche und ausgewogene
Fütterung achten.
Viel Bewegung (ohne Überlastung des Pferdes)
ist angesagt. Zudem gilt es einer Verfettung
frühzeitig vorzubeugen. Bei gefährdeten Pferden
sollte man auf Futtermittel wie trockenes
Brot, Silage, Mais und Rübenschnitzel komplett
verzichten.
Kraftfutter sollte mit extremer Zurückhaltung
und grundsätzlich nur bei entsprechender Leistungsabforderung
gegeben werden. Bei einem
Pferd, das täglich eine Stunde spazieren geritten
wird, kann auf Kraftfutter ganz verzichtet
werden.
Neben einer moderaten Fütterung darf die tägliche
Bewegung des Pferdes nicht fehlen. Weidegang
oder ein Auslauf ist zwar immer besser
als jede Box, in der sich das Pferd nur umdrehen
kann, dennoch werden nur gezielte Bewegungsanreize
den Vierbeiner dazu animieren zu laufen.
Das können Artgenossen bewerkstelligen,
die zum Spielen und Laufen auffordern, aber
auch die Trennung von Futter-, Tränk- und Ruhestätten.
Trotzdem reicht dies alles noch nicht
aus, um ein adäquates Bewegungsprogramm zu
ersetzen.
Zudem sollte man auf eine ausgewogene Mineralstoff-
und Vitaminversorgung achten. Nicht
selten spielen bei Stoffwechselproblemen fehlende
Mineralien, Spurenelemente und Vitamine
eine Rolle.
Deshalb steht für die erfolgreiche Therapie von
Stoffwechselerkrankungen immer zunächst das
Entgiften und Entsäuern des Organismus auf
dem Plan, eine ausgewogene, basische und
kohlenhydratarme Fütterung sowie genügend
Bewegung. Hinzu kommt die ausreichende Versorgung
mit Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen.
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