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Erfahrene Pferdezüchter sind häufig davon überzeugt, daß Stuten bei der Vererbung größere Bedeutung als Hengste haben können. Mit molekulargenetischen Untersuchungen findet dies heute auch beim Pferd erste Bestätigung.

Die Stute prägt das Fohlen

Meist leicht verwechselt mit genetisch bedingten Ursachen werden Umweltwirkungen, die nur über die Mutter auf die Nachkommen einwirken und beide so äußerlich ähnlicher machen. So können zum Beispiel Einflüsse vor und nach der Geburt vor allem das Wachstum der Tiere zunächst nachhaltig beeinflussen. Hauptursachen sind die mütterliche Umwelt schon vor der Geburt, ihre Laktationsleistung, aber auch das mütterliche Verhalten während der Aufzucht. Besonders eindrucksvoll haben die Tierzuchtwissenschaftler Walton und Hammond schon 1938 solche mütterlichen Einflüsse durch Kreuzung von Shire-Kaltblut und Shetlandponys nachgewiesen. Die Fohlen aus den Kaltblut-Stuten und den Ponyhengsten zeigten hier deutlich höheres Körpergewicht und Wachstum als die Fohlen aus den Ponystuten und den Kaltblut-Hengsten auf.



Dr.agr. Dr.agr. habil.
Ines von Butler-Wemken

ist Expertin für für den Bereich Vererbung/Genetik im wittelsbuerger.com-Expertenforum.

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Auch aus späteren Arbeiten mit anderen Tierarten wissen wir, daß mütterliche Umweltwirkungen einen großen Einfluß auf die Entwicklung eines Tieres haben können. Mit solchen maternalen Wirkungen hat man auch die Unterschiede zwischen den Kreuzungs-Nachkommen von Pferd und Esel erklärt. Neben ganz erheblichen Größenunterschieden zeigen die Kreuzungen hier aber zusätzlich markante Exterieurunterschiede. So ist das Maultier seiner Pferdemutter, der Maulesel hingegen seiner Eselsmutter deutlich ähnlicher. Dies gilt systematisch für beide Geschlechter und läßt sich so nicht mehr nur mit maternalen Umweltwirkungen erklären. Erst in den letzten Jahren sind Genwirkungen bekannt geworden, die sich systematisch nur über die Mutter oder aber nur über den Vater auswirken können. Dieses ‚genomische imprinting' wurde bei Versuchstieren bereits für einige Entwicklungserbanlagen nachgewiesen und wird hier auch als Ursache für die markanten Exterieurunterschiede zwischen Maultier und Maulesel angesehen.

Erbanlagen auf den Geschlechtschromosomen

Schon länger bekannt sind dagegen Erbanlagen, die auf den Geschlechtschromosomen liegen. Beim Pferd finden sich, wie bei allen Säugern, zwei verschiedene Geschlechtschromosomen, die man mit X-Chromosom und mit Y-Chromosom bezeichnet. Stuten besitzen im Regelfall immer zwei solche X-Chromosomen, Hengste und Wallache dagegen regelmäßig ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom. Das X-Chromosom ist beim Pferd recht groß, daß zweitgrößte Pferdechromosom überhaupt, und wir können daher auch erwarten, daß es relativ viele genetische Informationen trägt. Das Y-Chromosom dagegen ist das kleinste Pferdechromosom mit wahrscheinlich nur wenig Erbinformationen. Lange ist man davon ausgegangen, daß es beim Säuger überhaupt keine Erbinformationen enthält. Doch dies wurde mittlerweile auch für das Pferd widerlegt. So haben Wissenschaftler an der US Universität von Texas im Jahr 2008 erstmals Erbanlagen auf dem Y-Pferdechromosom aufgedeckt, die direkten Einfluss auf die Spermaqualität und damit auch auf die Fruchtbarkeit der Zuchthengste haben.

Stutfohlen erhalten nun regelmäßig ein X-Chromosom von ihrer Mutter und ein X-Chromosom von ihrem Vater. Hengstfohlen bekommen das X-Chromosom dagegen immer nur von der Mutter und das Y-Chromosom immer nur von dem Vater. Auf dem X-Chromosom können nun Erbanlagen liegen, welche dann beim Hengstfohlen, auch bei rezessivem Erbgang, schon in einfacher Kopie direkt wirksam werden. So wird zum Beispiel die Erbinformation zur Bluterkrankheit, beim Pferd wurde sie 1961 erstmals beim Englischen Vollblut, dem Arabischem Vollblutpferd und dem Quarter Horse beschrieben, mit nur einem X-Chromosom von der Stute an das dann kranke Hengstfohlen übertragen. Stuten sollten dagegen zwei solche X-Chromosomen mit dem Erbdefekt besitzen, sie also von der Mutter und von dem Vater erhalten haben, um nicht nur Krankheitsträger, sondern auch selbst von der Krankheit betroffen zu sein. Hinweise auf eine weitere solche X-Chromosom gebundene Erbkrankheit liegen beim Pferd für das Wobbler-Syndrom, eine Gleichgewichtsstörung, vor.

Mitochondrien, die mütterlichen Erbanlagen


Weit mehr Aufmerksamkeit haben in den letzen Jahren Mitochondrien gefunden. Mitochondrien werden fast nur von der Mutter an die Nachkommen weitergegeben. Jeder Nachkomme erhält die Hälfte seiner Erbanlagen aus den Zellkernen jeweils von Vater und Mutter. Doch neben diesen Erbanlagen, die auf den Chromosomen in den Zellkernen liegen, finden sich im Zellgewebe zusätzliche winzige Erbanlagen, ringförmig in den Mitochondrien angelegt. Mitochondrien sind die Hauptenergielieferanten für den Stoffwechsel. Ihre genetischen Informationen steuern Atmungsenzyme, auch in Kombination mit den Erbanlagen im Kern, und beeinflussen somit über den Stoffwechsel auch Gesundheit und Leistung. Die meisten Körperzellen enthalten bis zu 10 Tausend Mitochondrien.

Auch in der mütterlichen Eizelle befinden sich diese Erbanlagen, während Samenzellen nur äußerst wenige Mitochondrien tragen. An die nächste Generation werden die Mitochondrien daher nahezu ausschließlich nur von der Mutter mit dem Ei an Söhne und Töchter weitergegeben und dann immer nur wieder von den Töchtern an die nächste Generation weitergetragen. Beim Menschen wurden sogar bereits einige Erbkrankheiten aufgedeckt, welche diesen mütterlichen Erbgang über die Mitochondrien aufzeigen. Dies gilt zum Beispiel für einen maternal vererbten Gehörverlust, der dann männliche und weibliche Nachkommen betrifft, für eine Form der Blindheit, aber auch für Muskelnervenschäden. Viele dieser Defekte werden häufig überhaupt erst im höheren Alter der Träger ausgeprägt.

Auch bei Nutztieren gibt es erste Hinweise, daß die maternale Vererbung vor allem Merkmale betrifft, welche auch in Kombination mit den Erbanlagen im Zellkern, vor allem das körperliche Leistungsvermögen der Tiere steuern. Der Anteil der mütterlichen Erbanlagen aus der Eizelle wird insgesamt wohl weit weniger als 0,1 Prozent an allen Erbanlagen eines Tieres betragen, doch diese zusätzlichen mütterlichen Erbanlagen könnten vor allem auf den Muskelstoffwechsel größten Einfluß haben. Erste Analysen die von Wissenschaftlern aus England vorliegen bestätigen, wenn auch sehr geringe Leistungsüberlegenheit einzelner Stutenfamilien, zum Beispiel für Rennleistung beim Englischen Vollblut. In weiteren Schritten wird es darauf ankommen, die Stutenlinien und ihre Leistungen umfassend zu analysieren. Mit molekularbiologischen Methoden wird es jetzt durchaus möglich, Erbinformationen in den Mitochondrien mit ihren Variationsmöglichkeiten für einzelne Pferderassen und Stutenlinien gezielt aufzudecken. Dies hat bereits große Bedeutung bei der Abstammungsforschung. Durch Bevorzugung einzelner Stutenfamilien könnten die fast ausschließlich nur von der Mutter an ihre Nachkommen weitergegebenen Erbinformationen aber auch direkt züchterisch genutzt werden. Mit der Aufklärung der mütterlichen Vererbung, die erst jetzt mit den Methoden der Molekularbiologie gezielt möglich wird, könnte die Stutenselektion so in Zukunft durchaus höhere züchterische Bedeutung erlangen.


Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,
z.B. Dr. Ines von Butler-Wemken für den Bereich Vererbung/Genetik.
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QuelleInes von Butler-Wemken

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