Dr.agr. Dr.agr. habil. Ines von Butler-Wemken ist
Expertin für für den Bereich Vererbung/Genetik im wittelsbuerger.com-Expertenforum. Dorthin
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Auch
aus späteren Arbeiten mit anderen Tierarten wissen wir, daß mütterliche Umweltwirkungen
einen großen Einfluß auf die Entwicklung eines Tieres haben können. Mit solchen
maternalen Wirkungen hat man auch die Unterschiede zwischen den Kreuzungs-Nachkommen
von Pferd und Esel erklärt. Neben ganz erheblichen Größenunterschieden zeigen
die Kreuzungen hier aber zusätzlich markante Exterieurunterschiede. So ist das
Maultier seiner Pferdemutter, der Maulesel hingegen seiner Eselsmutter deutlich
ähnlicher. Dies gilt systematisch für beide Geschlechter und läßt sich so nicht
mehr nur mit maternalen Umweltwirkungen erklären. Erst in den letzten Jahren sind
Genwirkungen bekannt geworden, die sich systematisch nur über die Mutter oder
aber nur über den Vater auswirken können. Dieses ‚genomische imprinting' wurde
bei Versuchstieren bereits für einige Entwicklungserbanlagen nachgewiesen und
wird hier auch als Ursache für die markanten Exterieurunterschiede zwischen Maultier
und Maulesel angesehen.
Erbanlagen auf den Geschlechtschromosomen
Schon
länger bekannt sind dagegen Erbanlagen, die auf den Geschlechtschromosomen liegen.
Beim Pferd finden sich, wie bei allen Säugern, zwei verschiedene Geschlechtschromosomen,
die man mit X-Chromosom und mit Y-Chromosom bezeichnet. Stuten besitzen im Regelfall
immer zwei solche X-Chromosomen, Hengste und Wallache dagegen regelmäßig ein X-Chromosom
und ein Y-Chromosom. Das X-Chromosom ist beim Pferd recht groß, daß zweitgrößte
Pferdechromosom überhaupt, und wir können daher auch erwarten, daß es relativ
viele genetische Informationen trägt. Das Y-Chromosom dagegen ist das kleinste
Pferdechromosom mit wahrscheinlich nur wenig Erbinformationen. Lange ist man davon
ausgegangen, daß es beim Säuger überhaupt keine Erbinformationen enthält. Doch
dies wurde mittlerweile auch für das Pferd widerlegt. So haben Wissenschaftler
an der US Universität von Texas im Jahr 2008 erstmals Erbanlagen auf dem Y-Pferdechromosom
aufgedeckt, die direkten Einfluss auf die Spermaqualität und damit auch auf die
Fruchtbarkeit der Zuchthengste haben.
Stutfohlen erhalten nun regelmäßig
ein X-Chromosom von ihrer Mutter und ein X-Chromosom von ihrem Vater. Hengstfohlen
bekommen das X-Chromosom dagegen immer nur von der Mutter und das Y-Chromosom
immer nur von dem Vater. Auf dem X-Chromosom können nun Erbanlagen liegen, welche
dann beim Hengstfohlen, auch bei rezessivem Erbgang, schon in einfacher Kopie
direkt wirksam werden. So wird zum Beispiel die Erbinformation zur Bluterkrankheit,
beim Pferd wurde sie 1961 erstmals beim Englischen Vollblut, dem Arabischem Vollblutpferd
und dem Quarter Horse beschrieben, mit nur einem X-Chromosom von der Stute an
das dann kranke Hengstfohlen übertragen. Stuten sollten dagegen zwei solche X-Chromosomen
mit dem Erbdefekt besitzen, sie also von der Mutter und von dem Vater erhalten
haben, um nicht nur Krankheitsträger, sondern auch selbst von der Krankheit betroffen
zu sein. Hinweise auf eine weitere solche X-Chromosom gebundene Erbkrankheit liegen
beim Pferd für das Wobbler-Syndrom, eine Gleichgewichtsstörung, vor.
Mitochondrien,
die mütterlichen Erbanlagen
Weit mehr Aufmerksamkeit haben in den
letzen Jahren Mitochondrien gefunden. Mitochondrien werden fast nur von der Mutter
an die Nachkommen weitergegeben. Jeder Nachkomme erhält die Hälfte seiner Erbanlagen
aus den Zellkernen jeweils von Vater und Mutter. Doch neben diesen Erbanlagen,
die auf den Chromosomen in den Zellkernen liegen, finden sich im Zellgewebe zusätzliche
winzige Erbanlagen, ringförmig in den Mitochondrien angelegt. Mitochondrien sind
die Hauptenergielieferanten für den Stoffwechsel. Ihre genetischen Informationen
steuern Atmungsenzyme, auch in Kombination mit den Erbanlagen im Kern, und beeinflussen
somit über den Stoffwechsel auch Gesundheit und Leistung. Die meisten Körperzellen
enthalten bis zu 10 Tausend Mitochondrien.
Auch in der mütterlichen Eizelle
befinden sich diese Erbanlagen, während Samenzellen nur äußerst wenige Mitochondrien
tragen. An die nächste Generation werden die Mitochondrien daher nahezu ausschließlich
nur von der Mutter mit dem Ei an Söhne und Töchter weitergegeben und dann immer
nur wieder von den Töchtern an die nächste Generation weitergetragen. Beim Menschen
wurden sogar bereits einige Erbkrankheiten aufgedeckt, welche diesen mütterlichen
Erbgang über die Mitochondrien aufzeigen. Dies gilt zum Beispiel für einen maternal
vererbten Gehörverlust, der dann männliche und weibliche Nachkommen betrifft,
für eine Form der Blindheit, aber auch für Muskelnervenschäden. Viele dieser Defekte
werden häufig überhaupt erst im höheren Alter der Träger ausgeprägt.
Auch
bei Nutztieren gibt es erste Hinweise, daß die maternale Vererbung vor allem Merkmale
betrifft, welche auch in Kombination mit den Erbanlagen im Zellkern, vor allem
das körperliche Leistungsvermögen der Tiere steuern. Der Anteil der mütterlichen
Erbanlagen aus der Eizelle wird insgesamt wohl weit weniger als 0,1 Prozent an
allen Erbanlagen eines Tieres betragen, doch diese zusätzlichen mütterlichen Erbanlagen
könnten vor allem auf den Muskelstoffwechsel größten Einfluß haben. Erste Analysen
die von Wissenschaftlern aus England vorliegen bestätigen, wenn auch sehr geringe
Leistungsüberlegenheit einzelner Stutenfamilien, zum Beispiel für Rennleistung
beim Englischen Vollblut. In weiteren Schritten wird es darauf ankommen, die Stutenlinien
und ihre Leistungen umfassend zu analysieren. Mit molekularbiologischen Methoden
wird es jetzt durchaus möglich, Erbinformationen in den Mitochondrien mit ihren
Variationsmöglichkeiten für einzelne Pferderassen und Stutenlinien gezielt aufzudecken.
Dies hat bereits große Bedeutung bei der Abstammungsforschung. Durch Bevorzugung
einzelner Stutenfamilien könnten die fast ausschließlich nur von der Mutter an
ihre Nachkommen weitergegebenen Erbinformationen aber auch direkt züchterisch
genutzt werden. Mit der Aufklärung der mütterlichen Vererbung, die erst jetzt
mit den Methoden der Molekularbiologie gezielt möglich wird, könnte die Stutenselektion
so in Zukunft durchaus höhere züchterische Bedeutung erlangen.
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