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Westernreiter: Wie
bist du überhaupt auf das Westernreiten und die Westernpferdezucht gekommen? Damals
steckten diese Projekte in Deutschland ja noch in den Kinderschuhen.
Petra Roth-Leckebusch: Das war mehr oder weniger Zufall. Ich bin von Anfang an
Freizeitreiter gewesen. Dieses ‚vom Stall in die Halle und wieder zurück’ vom
Englischreiten hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich gehe auch heute immer noch
gerne raus, mit Pferd ins Gelände. Das war der Ursprung – ich wollte ein Pferd
zum Ausreiten oder Wanderreiten. An das Westernreiten bin ich deshalb gekommen,
weil es eine Gebrauchsreiterei ist.
W: Wie ging es weiter?
PRL: Mein erstes Pferd war dann eine Appaloosa- Stute. Die habe ich auch immer
noch – sie ist jetzt 32 Jahre alt. Ich habe mir damals viele Pferde angeschaut
und schließlich bin bei dieser Stute hängen geblieben, die mir gut gefi el und
sie war Western geritten. Das war 1978 und ist also schon fast 30 Jahre her (lacht).
Das waren die allerersten Anfänge, damals. Mit Randy Phillips, einer der ersten,
die hier Westernreiten machten, und Jean-Claude Dysli. Ja, so hat das angefangen
– das hat sich einfach so ergeben für mich.
W: Das war vor knapp 30
Jahren – wie viele Pferde hast Du mittlerweile großgezogen?
PRL: Ich
müsste mal eine Statistik machen. Ich würde sagen, zwischen 250 und 300 Fohlen.
Bei uns durch die Anlage sind so ungefähr 6.000 bis 7.000 Pferde gegangen. Wir
haben circa 2.000 Pferde aus den USA importiert.
W: Was ist für dich
„Zucht“?
PRL: Ich denke, als Züchter muss man ein Zuchtziel haben.
Bei mir ist das ganz klar immer noch ein solides Gebrauchspferd. Dass dann ab
und zu ein Sportpferd abfällt, ist natürlich schön, aber es ist eigentlich nicht
mein alleiniges Zuchtziel. Also, ich züchte nicht unbedingt Hochleistungs-Sportpferde,
sondern Pferde, die gesund, charakterlich einwandfrei und einfach brauchbar sind
– vom Typ her Ranch Horses oder Stock Horses.
W: Was ist die Grundlage
einer guten Zucht?
PRL: Für Züchter das Wichtigste ist immer noch
die Stute. Das nennt man in Amerika auch ‚mare power’. Ich brauche eine gute,
solide, gesunde und rittige Stute, die kann ich dann mit einem entsprechenden,
modernen Hengst anpaaren. Ich denke, viele Züchter machen hier einen Fehler, wenn
sie immer nur auf die Hengste gucken und die Stuten vergessen. Dabei bringt die
Stute mindestens 60% beim Fohlen, Heute ist es so, dass die Käufer sehr aufs Papier
gucken. Gerade bei Reining-Pferden. Da wird kaum noch aufs Pferd geschaut, sondern
nur noch das Papier angesehen. Als Züchter kommt man heute einfach nicht drum
herum, Pferde mit attraktivem Papier zu züchten, weil man sie ja auch verkaufen
will. Ich selber habe mir über die Jahre einen Stutenstamm herangezüchtet und
wähle dazu Hengste, die aus populären Linien sind – damit ich meine Nachzucht
auch verkaufen kann. Aber eigentlich sind meine Stuten mein ganzer Stolz. Die
sind wirklich gut.
W: Hast du trotzdem Blutlinien, die Du bevorzugst?
PRL: Ich habe natürlich auch Blutlinien, die bekannt und gut sind. Little Peppy,
Genuine Doc, Sonny Dee Bar, Mr Melody Jac, Surprise Enterprise, Smart Chic Olena,
Lil Ruf Peppy. Die Blutlinie ist mir nicht egal, aber das Pferd dahinter ist noch
wichtiger.
W: Wann und womit fängt denn bei euch die Planung eines
Zuchtjahres an?
PRL: Die Planung fängt schon lange im Voraus an.
Ich plane nicht das Zuchtjahr, sondern verfolge ein Zuchtziel. Wie gesagt, ich
züchte für mich einen Stutenstamm – das ist mein Ziel. Habe ich eine gute Stute,
behalte ich deren Töchter in der Hoffnung, dass sie genauso gut sind. Die männlichen
Nachkommen verkaufe ich entweder als Hengste oder als Wallache, wobei ich fast
alles kastriere. Von den 250 Fohlen die ich gezogen habe, sind, glaube ich, nur
drei oder vier nicht kastriert worden. Da bin ich sehr selektiv.
Ich gucke
natürlich auch, ob meine Stuten zu dem Hengst passen. Das heißt, ich mache es
eigentlich umgekehrt: Passt der Hengst zu meinen Stuten? Wenn er nicht passt,
kann ich ihn verkaufen oder zu einem anderen Hengst gehen.
W: Worauf
achtest du dann?
PRL: Ich will relativ große, bzw. mittelgroße Pferde
– 1,50 m bis 1,55 m Stockmaß, außerdem müssen sie korrekt sein, kräftig, gut im
Wesen, gesund … also ohne Hufrolle, Spat oder eben solchen Krankheiten, deren
Veranlagung auch vererbbar ist. Außerdem schaue ich nach guten Bewegern. Eine
gute Galoppade ist für mich besonders wichtig; gut ausbalanciert und nicht zu
frontlastig. Der Hengst muss sowieso einfach überdurchschnittlich sein.
W: Wie bereitest du deine Hengste auf das Zuchtjahr vor?
PRL: Gar
nicht. Das macht alles die Natur.
W: Und die Stuten?
PRL:
Regelmäßige Impfungen, Tupferprobe, aber sonst … ich füttere sie nicht speziell,
und ich stelle sie auch nicht unter Licht. Wenn man spät deckt, werden sie in
der Regel sowieso tragend, da kann man sich das alles sparen.
Ich will
auch gar nicht so frühe Fohlen haben, denn die Fohlen sollen direkt mit der Mutter
auf die Wiese gehen. Ich kriege meistens April/ Mai-Fohlen. Sonst stehen sie nur
im Stall und nehmen Platz weg, den ich für Trainingspferde brauche.
W:
Wie geht es bis zur Fohlengeburt weiter?
PRL: Nach dem Decken mache
ich bei den Stuten immer eine Ultraschall-Untersuchung, um zu wissen, ob sie auch
tragend sind. Danach beobachten wir sie natürlich. Im September/Oktober, wenn
die Weidesaison im Herbst zu Ende geht, mache ich eine Nachuntersuchung. Wenn
festgestellt wird, dass eine Stute resorbiert hat, kann ich im nächsten Jahr früh
genug anfangen, sie zu beobachten und evtl. auch zu behandeln. Außerdem stehen
unsere Stuten immer draußen, Sommer wie Winter. Im Idealfall kann ich sie auch
draußen abfohlen lassen.
W: Wie haltet ihr eure Hengste?
PRL: Die Hengste, die im Sport laufen, stehen in der Box und tagsüber auf der
Weide. Die Hengste, die nicht mehr im Sport laufen, stehen ganzjährig in der Herde.
Im Sommer mit den Stuten, im Winter mit den Jungpferden bzw. Junghengsten und
-wallachen.
W: Ihr seid ja nun ein sehr großer Zuchtbetrieb, der ein
gewisses Management erfordert. Wie läuft das bei euch?
PRL: Ganz wichtig
fi nde ich, dass alles dokumentiert wird. Wir führen ein „Deckbuch“, in dem für
jede Stute alles festgehalten wird: wann sie kommt, ob es irgendwelche Besonderheiten
gibt, Unverträglichkeiten und andere Angaben des Besitzers. Auch das Abprobieren
wird immer schriftlich festgehalten, wie alles andere auch.
Ich habe die
Deckbücher noch von Anfang an, das heißt, ich könnte dir von vor zehn Jahren noch
sagen, wann wir welche Stuten abprobiert oder gedeckt haben und ob es irgendwelche
Besonderheiten gab. Es ist wirklich sehr wichtig, dass man die Ereignisse nachhalten
kann – viele Sachen vergisst man zu schnell.
W: Setzt ihr auch künstliche
Besamung mit Kühlsamen und Tiefgefriersperma oder Embryotransfer ein?
PRL: Ich setze das nicht ein, weil mir das schlicht zu teuer ist.
Wenn
man eine ganz außergewöhnliche Stute hat, macht das sicher Sinn. Was Gefriersamen
aus Amerika angeht zum Beispiel – das ist alles toll, nur brauche ich auch wirklich
die entsprechende Stute dafür. Wenn ich 3.000 $ für einen Deckhengst bezahle und
aber nur eine Durchschnitts-Stute habe, dann ist die Chance sehr gering, dass
ich das Fohlen entsprechend vermarkten kann. Wenn ich das Geld habe und es mir
Spaß macht, klar, dann kann ich das machen.
Nur ist es mit Gefriersperma
auch so, dass es Hengste gibt, die damit hervorragend befruchten, während sich
der Samen von anderen Hengsten nicht gut einfrieren lässt. Und da muss ich sagen,
bin ich einfach misstrauisch den Amerikanern gegenüber, ob die mir die Wahrheit
sagen, wenn sie mir Samen verkaufen wollen. Auch bei Statistiken kann man schummeln.
Und dafür ist es einfach zu teuer. Ich weiß z.B. von einer Züchterin, die zehnmal
mit Gefriersamen besamt und ein einziges lebendes Fohlen daraus bekommen hat.
Für das Geld hätte sie sich ein Top-Pferd kaufen können. Ich denke, in ein paar
Jahren wird sich herausstellen, welche Hengste sich gut eignen bzw. gut befruchten.
Dann würde ich das auch in Erwägung ziehen.
W: Was ist denn Deine Meinung
zum Embryotransfer – aus ethischer und züchterischer Perspektive?
PRL: Ethisch fi nde ich das nicht verwerfl ich. Warum sollte eine außergewöhnliche
Mutterstute nicht auch mehr Nachkommen haben?! Aber die Frage ist auch hier, ob
das wirtschaftlich sinnvoll ist. Es ist eh schon schwierig genug, mit Zucht überhaupt
Geld zu verdienen.
W: Wann würdest du einem Stutenbesitzer, der an
seinem Pferd hängt und ein Nachwuchstier braucht, raten, eigene Nachzucht zu ziehen
statt ein Jungpferd zu kaufen?
PRL: Ich denke, erst einmal muss er
eine sehr gute Stute haben. Dann muss man genug Geld und auch die Bedingungen
mitbringen, um ein Fohlen großzuziehen. Und man muss sich darüber im Klaren sein,
dass es ein weiter Weg ist, bis man ein gesundes und reitbares Pferd hat, der
mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Der Stute oder dem Fohlen kann etwas
passieren, oder die Nachzucht entspricht nicht den Vorstellungen. Und die Idee,
dass es billiger wäre, kann man direkt vergessen. Das ist nicht so.
Wenn
man dies alles aber bedenkt und in Kauf nimmt, dann sollte man es tun. Es macht
natürlich viel Spaß und es ist sehr schön, ein Fohlen zu haben.
W:
In diesem Zucht-Special haben wir auch einen Artikel zu Lethal White-Fohlen.
Hattest du schon einmal solch einen Fall?
PRL: Ja, viele schon, leider.
W: Viele?
PRL: Wir haben einmal in einem Jahr sechs oder sieben
tragende Stuten aus den USA importiert, davon haben vier Lethal White-Fohlen gekriegt.
Heute kann man testen, ob Stute oder Hengst Genträger sind, deswegen kann so etwas
eigentlich nicht mehr passieren.
Das ist aber auch etwas, das ich gelernt
habe. Die Amerikaner hatten damals zu mir gesagt: „Ach, das kommt gaaanz selten
mal vor.“ Leider muss man solche Fohlen einschläfern, weil sie keine Chance haben.
Bei unserem ersten Fall wussten wir noch gar nicht, was los war. Da haben wir
alles versucht.
Die Fohlen sind groß, schön und machen einen gesunden
und fi tten Eindruck. Aber der Darm ist zu – nach dem Trinken staut sich alles
und es kommt zu massiven Koliken. Wenn man diese Fohlen nicht einschläfert, kriegen
sie einen Darmdurchbruch und sterben irgendwann. Das ist Quälerei.
W:
Waren diese Lethal White-Fohlen dein schlimmstes Erlebnis als Züchter?
PRL: Nein. Den schrecklichsten Moment kann ich dir sofort nennen. Das war an einem
Turniertag bei uns im April, da haben wir neun Stunden lang ein Fohlen aus einer
Stute herausgesägt. Wir mussten es in Teile sägen und haben wirklich so lange
dafür gebraucht. Morgens um 9 Uhr hatten wir entdeckt, dass sie ein totes Fohlen
im Bauch hat. Die Beine guckten heraus, und das Fohlen kam nicht weiter. Nachmittags
um 15 Uhr habe ich dann zu meinem Tierarzt gesagt, „Jetzt ist Feierabend, wir
schläfern das arme Tier ein!“. Sie tat mir furchtbar leid, hatte schon einen ganz
aufgedunsenen Kopf von diesen Verwesungsgiften, die tote Tiere abgeben.
Mein Tierarzt hat aber nicht aufgegeben – wir haben das Fohlen wirklich herausgekriegt,
und die Stute hat die nächste Nacht überlebt. Heute geht es der Stute gut. Ich
habe sie verkauft und gesagt, dass sie nicht mehr gedeckt werden soll. Sie hat
aber doch noch zwei gesunde Fohlen zur Welt gebracht!
Ich muss jedoch
sagen, bei den vielen Fohlengeburten habe ich nur ein- oder zweimal eingreifen
müssen. Meistens gibt es eine Problemgeburt, weil die Leute zu früh eingreifen.
In der Regel machen die Stuten das alleine. Wenn man sie stört, dann kriegt man
ein Problem. Eine Geburt dauert eben auch – das können auch mal ein oder zwei
Stunden sein. Aber das ist normal.
W: Abschließend: Hast du einen schönsten
Moment, an den du dich als Züchter immer gerne erinnerst?
PRL: Eigentlich
ist jede Geburt ein schöner Moment. Das hat etwas Magisches, wenn so ein kleines
Wesen auf die Welt kommt, und die Stuten blubbern und freuen sich…das ist immer
schön und macht Spaß. Auch die Arbeit mit den Jungpferden ist toll.
Zur
Pferdezucht braucht man Passion und einen langen Atem. Man leidet viel und bekommt
auch viel zurück !
W: Petra, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anne
Wirwahn für den EWU-westernreiter
Fragen? Die 17 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter, z.B.
Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht. Zum
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