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Die
Angst fungiert als Warnsignal. Doch ist sie so groß,
dass sie mit starken körperlichen Symptomen einhergeht, ist
logisches Denken und Handeln schwer oder gar unmöglich –
auf dem Pferderücken kann das fatele Folgen haben.
Unter Pferdefreunden wird die Angst oft durch mangelndes Wissen
der Reiter und die daraus entstehenden Problemsituationen mit
dem Pferd hervorgerufen. Dazu kommt die bedrohliche Größe
und Kraft des Tieres. Ist ein Reiter nicht mehr Herr der Situation,
geht ein Pferd durch, reißt sich los, drängelt beim
Führen oder tänzelt über den Reitweg, so hat das
Tier die Führung übernommen. Schlechte Erfahrungen,
Hilflosigkeit und Reitlehrer, die nicht auf die Ängste der
Schüler eingehen, steigern das Unwohlsein der Reiter. Ob
Profi oder Laie – der Ausbildungsstand von Reiter und Pferd
sowie deren Charaktere müssen miteinander harmonieren.
Wird der Weg in den Stall aber nur noch mit Magenschmerzen bewältigt
oder werden die Knie weich wenn’s ans Aufsteigen geht, dann
sollten Sie etwas unternehmen, um wieder Spaß zu haben.
„Ist es einmal so weit gekommen, muss der Reiter abwägen,
ob er aufhören oder dran arbeiten und seine Unsicherheiten
ablegen möchte“, rät Professor Dr. Miltner. Entscheiden
Sie sich dafür, den Kampf gegen die Angst aufzunehmen, bieten
Gesundheitslehren wie Meditation, Entspannungsübungen, Seminare
rund ums Thema Reiten und Angst, Atemtherapien, Feldenkrais-Kurse,
Sicherheits- und Falltraining am Pferd, Kinesiologie, eine solide
Grundausbildung auf dem Pferderücken sowie Schulungen zur
Verbesserung des eigenen Sitzes, Hilfestellung.
„Wirf dein Herz über das Hindernis, das Pferd springt
ihm nach“ – so lautet ein altes Sprichwort. Doch hat
ein Reiter einen Sturz oder eine andere schlechte Erfahrungen
gemacht, ist dies leichter gesagt als getan. Viel Zeit und positive
Erlebnisse sind dann nötig, um die Angst durch Vertrauen
zum Pferd und zu sich selbst zu ersetzten. Hilfreich ist hier
die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Ausbilder.
Sally Swift – mutig durch „Reiten
aus der Körpermitte
Gründerin dieser Lehre, Sally Swift, verhilft Reitern
durch fundiertes Wissen über Anatomie des Pferdes und Menschens,
der richtigen Körperhaltung, Einfühlungsvermögen
und mentaler Vorstellungskraft zu einem harmonischen und sicheren
Ritt. Imaginäre Bilder, die sie ihren Schülern mit auf
den Weg gibt, stehen im Zentrum ihrer Methode. Im FS-Zentrum Reken
stellte die Amerikanerin Susan Harris, Swifts Lehre unter dem
Thema „Angst“ vor.
„Sitzen Reiter nicht im Gleichgewicht auf dem Pferderücken
oder reiten sie ein Pferd, das für ihren Ausbildungsstand
zu anspruchsvoll ist, so fühlen sie sich unsicher oder haben
Angst. In letzterem Beispiel ist die Sorge sogar berechtigt und
der Reiter sollte sich einen Lehrer, Ausbilder fürs Pferd
oder schlimmsten Falls ein anderes Pferd suchen“, kommentiert
Harris die ungünstige Kombination von Reiter und Pferd. Neben
dem Pferd spielt der Lehrer, dem der Schüler vertrauen muss,
eine wichtige Rolle. Er darf die Angst des Reiters nicht ignorieren.
„Ich richte mit meinen Schülern ein ‘Vertrauenskonto’
ein: Gute Erfahrungen werden auf der Haben-Seite, schlechte auf
der Soll-Seite gebucht. Ist das Konto im Plus hebe ich das Unterrichts-Level
ein wenig an. Zusammen mit den Schülern lege ich zusätzlich
eine Gefühls-Skala von null bis fünf fest. Bei null
würde ein Schüler zum Beispiel heulen und absteigen,
bei fünf los galoppieren. Anhand der Skala können mir
die Schüler so ihr Angst-Level mitteilen. Alle Erfahrungen,
die unter drei auf der Skala fallen – die auch nur äußerst
selten vorkommen sollten – werden auf der Soll-Seite gebucht.
Durch diese Vorgehensweise richten die Reiter ihre Aufmerksamkeit
nicht nur auf das Pferd, sondern auf sich selbst“, erläutert
Susan Harris das Lehr-System. Durch folgende Säulen, auf
denen Swifts Lehre basiert, und deren Übungen können
Sie Ängste ab- und Vertrauen aufbauen:
1.
Atmen, bis in die Fußspitzen
Ein stetiger, tiefer Atmen beruhigt – Reiter und Tier. Pferde
sind sensibel und merken sofort, wenn der Reiter vor Angst die
Luft anhält. Um richtig Atmen zu lernen, muss man jedoch
vorerst die physikalischen Abläufe, die dabei entstehen,
verstehen. Neben dem Wissen, dass das Zwerchfell durch einen großen
Muskel nach unten gezogen wird und so wie ein Blasebalg Luft in
die Lungen pumpt, vermittelt Swift Bilder, die nervöse Reiter
zur Ruhe kommen lassen. Übung 1: Atmen sie tief ein, bis
in ihren Bauch. Was sie spüren ist nicht die Luft, die in
ihren Körper dringt, sondern der große Muskel an der
inneren Seite der Wirbelsäule, der das Zwerchfell bewegt.
Durch gezieltes Einatmen können Sie einzelne Muskelpartien
wahrnehmen und entspannen. Übung 2: Reiten Sie Schritt und
stellen Sie sich vor, sie sind durchsichtig wie eine Plastikpuppe.
Die ganze Luft um Sie herum ist blau. Atmen sie tief ein. Füllen
Sie Sitzknochen, Becken, Wirbelsäule, Fußspitzen, Schultern
und Kopfpartien mit dem farbigen Sauerstoff, werden Sie sich ihres
Körpers bewusst. Haben Sie ein triebiges Pferd, können
Sie einige Sektblasen mit hinein mixen. Übung 3: Halten Sie
aus Unsicherheit die Luft an, dann zählen Sie laut den Takt
des Pferdes mit oder summen sie ihn. Dadurch wird ihre Atmung
gleichmäßig und das Pferd ruhiger. Springreiter sollten
während des Sprungs ausatmen.
2.
Stirnruntzeln verboten
Blicke können starr auf ein Objekt gerichtet oder umfassend
und weich sein. Viele Menschen reiten mit zusammengekniffenen
Augen, gerunzelter Stirn und tief heruntergezogenen Augenbrauen,
was zu Verspannungen im ganzen Körper führt. Durch die
Veränderung ihres Blicks, beeinflussen Sie ihre ganze Körperhaltung
und die Kommunikation mit ihrem Pferd. Übung 1: Halten Sie
ihr Pferd an, sitzen Sie still und schauen Sie einen Gegenstand
genau an. Konzentrieren Sie sich auf dessen Konturen, Form, Umfang
und Farbe. Das ist, was ich unter harten, starren Augen verstehe.
2. Übung: Entspannen Sie jetzt die Augen und lassen sie das
Objekt im Mittelpunkt ihres Blickes. Sehen Sie es an und beziehen
sie nun alle peripheren Wahrnehmungen in ihren Blickfang mit ein.
Die unter, über und neben Ihnen. Ihr Körperausdruck
wird sich dadurch positiv verändern. Starrt man auf die Pferdeohren
ist der Blick hart. Schaut man aber weit über die Ohren des
Tieres hinweg ist er weich und ermöglicht dem Reiter die
Bewegungen des Pferderückens leichter zu spüren.
3.
Unterm Bauchnabel liegt die Mitte
Viele Menschen sind kopf- oder vorderlastig, atmen meist flach
in die Brust und verlagern ihren Schwerpunkt so in den Brustkorb.
Je höher der Schwerpunkt liegt, um so unsicherer fühlt
sich ein Mensch auf dem Pferderücken. Reiter befinden sich
dann häufig hinter ihrem Balancepunkt und kommen dadurch
hinter die Bewegung des Pferdes. Würden sie ihre Mitte richtig
platzieren, könnten sie im Gleichgewicht sitzen und mit der
Bewegung des Pferdes mitgehen. Übung 1: Zeigen Sie mit Ihrem
Finger an eine Stelle zwischen Bauchnabel und Schambein. Auf dieser
Höhe an der vorderen Seite Ihrer Wirbelsäule liegt ihr
Zentrum der Balance. Übung 2: Stellen Sie sich vor, es liegen
Gewichte in ihrer Körpermitte. Sie ist die schwerste Stelle
in ihrem Körper, die Sie sicher im Sattel hält. Nichts
kann sie von dort vertreiben. Atmen Sie in Ihre Körpermitte
hinein und machen Sie sich immer wieder ihres Schwerpunktes bewusst.
4.
Balance durch Bauklötze
Der menschliche Körper wird in fünf Bausteine unterteilt:
Kopf, Schulter, Rumpf, Hüfte/Becken und Beine. Um einen geraden
und effektiven Sitz zu erhalten, müssen diese Bausteine richtig
aufeinander gestapelt werden. Falsch ausbalanciert werden sie
instabil und fallen in sich zusammen. Dies hängt aber auch
von der Steigbügellänge und Sattelform ab. Beim Springen
oder Jagdgalopp-Reiten müssen jeweils nur zwei Bausteine
aufeinander liegen.
In den nächsten Teilen, der Reiter Revue Angst-Serie, stellen
Ihnen Atemtherapeut Adalbert Halt, Sozialpädagogin und Buchautorin
Gine Willrich, Susanne von Dietze, Autorin des Buches „Balance
in der Bewegung“, Pferdetrainer Peter Pfister, Michael Baxter
der Rehaklinik Revito in Warendorf und Jochen Schumacher, Leiter
des FS-Zentrum Reken, praktische Tipps zur Angstbewältigung
vor.
Rika Schneider
Buchtipp
Ihr Basisbuch „Reiten aus der Körpermitte“ wurde
über 50.000 mal in Deutschland verkauft und ist noch immer
in den Verkaufsregalen zu finden. Ihr zweiter Band, ein in sich
abgeschlossenes Praxisbuch, erscheint Ende Oktober und beschreibt
wie Reiter durch die richtige Wahrnehmung und durch praktische
Übungen Perfektion im Sattel erlangen.
• Müller Rüschlikon-Verlag, Sally Swift, „Reiten
aus der Körpermitte“ Band 1 (ISBN: 3-275-00956-7, €
30,00) und Band 2 (ISBN: 3-275-01406-4, € 34,90)
(erschienen
in der Reiter Revue)
Funktion
des Gehirns:
Nimmt der Mensch eine Gefahr wahr, so geht diese Information direkt
zum Furchtzentrum (Amygdala), das dann die typischen Angstreaktionen
wie Herzrasen, feuchte Hände oder Zittern auslöst. Erst
nach dieser Reaktion schaltet sich das Bewusstsein ein. Die Informationen
werden im Thalamus sortiert und dann an die zuständigen Hirnareale
weiter geleitet. Die Entscheidung, ob die Situation nun gefährlich
oder ungefährlich ist, trifft dann die Großhirnrinde.
Ob die Angstreaktion abklingen oder aufrechterhalten werden soll
am Ende der Frontlappen, bevor der Hippocampus das Gesamtereignis
speichert.
Wie macht sich Angst bemerkbar?
Körperlichen Symptomen, die immer mit der Angst einher gehen
sind Schwindel, Schweißausbrüchen, Verkrampfungen,
Zittern, Herzrasen, Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Übelkeit,
Durchfall oder Atemnot. Der Angstgrad bestimmt die Intensität
der Symptome.
Was für Ängste gibt es?
• Panikattacken: Sie entstehen ohne äußeren Anlaß
• Generalisierte Angstzuständen: Ohne Behandlung halten
sie oft jahrelang an
• Phobien: Sie werden durch ungefährliche Auslöser
hervorgerufen
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